Hans-Martin Henning, Vorsitzender des Expertenrats für Klimafragen (ERK), und die stellvertretende Vorsitzende Brigitte Knopf stellten am Dienstag in der Bundespressekonferenz die Stellungnahme ihres Gremiums zum Klimaschutzprogramm 2023 und den Prüfbericht für die Sektoren Gebäude und Verkehr vor.

Bild: dpa/Bernd von Jutrczenka

Kritik am deutschen Klimaschutzprogramm

28.08.2023

Der Expertenrat für Klimafragen ist der Ansicht, dass die Bundesregierung nicht genug tut, um den Treibhausgasausstoß zu vermindern. Vor allem Verkehr und Gebäude emittierten zu viel Kohlendioxid.

Das von der Bundesregierung vorgelegte Klimaschutzprogramm 2023 reicht nach Einschätzung des Expertenrats für Klimafragen nicht aus. Es erfülle nicht die Anforderungen des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG), sagte Hans-Martin Henning, Vorsitzender des Expertenrats, am Dienstag bei der Vorstellung der Stellungnahme des Rats. Insbesondere die geplanten Aktionen zu Treibhausgasminderungen in den Sektoren Gebäude und Verkehr entsprechen nach Ansicht der Experten nicht den Anforderungen an ein im KSG gefordertes Sofortprogramm.

Mit dem Klimaschutzprogramm hat die Bundesregierung Mitte Juni dieses Jahres ein umfangreiches Programm von rund 130 Maßnahmen vorgeschlagen. Der „Gesamtplan für die Klimaschutzpolitik“, so die Regierung, listet die wichtigsten Schritte in den Bereichen Verkehr, Energie, Gebäude, Industrie und Landwirtschaft auf.

Viele Inhalte des aktuellen Programms seien bereits umgesetzt, so etwa das Deutschlandticket, die CO2-abhängige Lkw-Maut, Verfahrensbeschleunigungen und Flächen für den Ausbau erneuerbarer Energien oder die Förderungen für energetisches Bauen und Sanieren.

Aus Sicht des Expertenrates reicht das aber nicht. Bei konsequenter Umsetzung des Programms könne sich zwar die „kumulierte Lücke“ zum KSG-Zielpfad für die Jahre 2021 bis 2030 bis auf rund 200 Millionen Tonnen klimaschädlicher Treibhausgasemissionen verringern. „Damit hat das Klimaschutzprogramm einen zwar hohen, aber gemäß Klimaschutzgesetz unzureichenden Minderungsanspruch“, heißt es in der Stellungnahme. Kritisiert wird, dass die Bundesregierung nicht darlege, wie die verbleibende Differenz zu den KSG-Zielen ausgeglichen werden soll.

Obergrenzen früher einführen

Was also ist zu tun? Es brauche ein Monitoring und Controlling, sagte Brigitte Knopf, stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats. „Vor dem Hintergrund der KSG-Novelle wird das immer wichtiger“, betonte sie. Die Novelle des Klimaschutzgesetzes sieht schließlich vor, die sektorale Betrachtung durch eine Gesamtbetrachtung zu ersetzen.

Weil jetzt die Verantwortung nicht mehr bei den einzelnen Ministerien liege, sondern an die Bundesregierung als Kollektivorgan verschoben worden sei, brauche es eine Emissionsobergrenze, sagte Knopf. Die für 2027 geplanten Obergrenzen beim Emissionshandel sollten ihr zufolge daher vorgezogen werden. Eine deutliche Verteuerung des CO₂-Ausstoßes wäre die Folge.

Von einem Rechtsbruch spricht die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Laut dem aktuell noch geltenden KSG hätten angesichts der gerissenen Sektorziele Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) am 17. Juli jeweils ein Sofortprogramm vorlegen müssen, sagte DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz in ihrer Reaktion auf die Stellungnahme des Expertenrats für Klimafragen.

Umwelthilfe fordert mehr Ehrgeiz

Auch aus Sicht der DUH muss das Klimaschutzgesetz novelliert werden – nicht aber so, wie von der Bundesregierung geplant. „Es müsste ambitionierter als das bisherige werden“, sagte die DUH-Bundesgeschäftsführerin. Vorschläge zur Senkung der Emissionen im Verkehrsbereich lägen auf dem Tisch und seien trivial: Durch ein Tempolimit könnten laut DUH pro Jahr 11 Millionen Tonnen Kohlendioxid eingespart werden.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie ist der Meinung, dass die Bundesregierung im Klimaschutzprogramm „mit mehr Technologieoffenheit grundsätzlich die richtigen Weichen gestellt“ hat. Sie müsse nun rasch Entscheidungen „für die passgenaue Förderung des Hochlaufs der E-Mobilität und Ladeinfrastruktur treffen“, fordert der BDI. (fh)

11 Millionen Tonnen Kohlendioxid könnten in Deutschland jährlich durch die Einführung von Tempolimits vermieden werden.

Quelle: Deutsche Umwelthilfe

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