Das Bundeskabinett hat am Mittwoch die nationale Hafenstrategie beschlossen, die seit Juni 2022 unter Federführung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) und in Abstimmung mit Branchen- und Umweltverbänden sowie dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz erarbeitet wurde.
Die Strategie hat zum Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der See- und Binnenhäfen zu stärken, insbesondere vor dem Hintergrund der „Herausforderungen durch Transformationsprozesse“ wie dem Krieg in der Ukraine, den Folgen der Corona-Pandemie und den Veränderungen im Welthandel, heißt es von der Bundesregierung. Dafür wurden fünf Handlungsfelder definiert und zunächst 139 Maßnahmen aufgelistet. Bundesverkehrsminister Volker Wissing sprach am Mittwoch von einem „Kursbuch“, das Lösungen für die drängendsten Herausforderungen der Häfen aufzeige.
Zu den Maßnahmen zählen unter anderem regulatorische Vorhaben. So will sich der Bund bis spätestens 2028 bei der EU für eine einheitliche Auslegung der Tonnagesteuer einsetzen. Diese solle auf den reinen Schiffstransport zwischen Häfen beschränkt werden. Zudem soll schnellstmöglich das geltende Modell der Einfuhrumsatzsteuer bewertet und Optionen zu deren „Weiterentwicklung“ erarbeitet werden. Bis 2028 soll außerdem eine Machbarkeitsstudie zur Kooperation von Häfen unter rechtlichen und finanziellen Aspekten erstellt werden. Fragen einer stärken Zusammenarbeit der Standorte sollen dabei auch in einem neu zu schaffenden Bund-Länder-Arbeitskreis für Häfen diskutiert werden.
Viele Maßnahmen, noch kein Geld
Deutlich konkreter sind die Maßnahmen im zweiten Handlungsfeld – „Häfen zu nachhaltigen Knotenpunkten für die Energiewende entwickeln“. Darin heißt es unter anderem, dass ab sofort in geeignete Häfen für den Bau von Offshore-Windanlagen und für den Bau von Konverter-Stationen investiert werden solle. Zudem ist der Aufbau einer Importinfrastruktur für Wasserstoff mit Terminals und Leitungen vorgesehen.
Allerdings stehen alle Maßnahmen unter Vorbehalt zur Verfügung stehender Haushaltsmittel, wie in dem Dokument hervorgehoben ist. Daher sollen – das sind zwei der 139 Maßnahmen – sowohl ein „Konzept für die Finanzierung von Hafeninfrastrukturen zur Erfüllung nationaler Aufgaben“ von Bund, Ländern und Hafenwirtschaft erarbeitet werden, als auch ein „Finanzierungskonzept für die Ertüchtigung der Hafeninfrastruktur zur Unterstützung der Energiewende“.
Die bislang fehlenden Haushaltsmittel sind Hauptkritikpunkt von Branchenverbänden, Küstenbundesländern und der Opposition. „Der Bund drückt sich um klare Finanzierungszusagen“, kritisiert Götz Wiese, hafenpolitischer Sprecher der CDU in Hamburg. Dabei wiederholt er den Wunsch der Branche und der norddeutschen Länder nach einer deutlichen Erhöhung der Bundeszuschüsse auf rund 400 Millionen Euro für die Häfen. Bislang erhalten alle Häfen pauschal 38 Millionen Euro durch den Hafenlastenausgleich.
„Angesichts neuer Aufgaben im nationalen Interesse braucht es auch neue und modernisierte Infrastruktur. Dafür erwarten wir ein Engagement des Bundes“, sagt Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard. Der nächste Schritt nach Vorlage des Papiers müsse nun sein, den Hafenlastenausgleich für die See- und Universalhäfen zu erhöhen, um ins Handeln zu kommen, heißt es zusätzlich aus Hamburg.
Die Branchenverbände ZDS (Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe) und BÖB (Bundesverband Öffentlicher Binnenhäfen) begrüßen den Beschluss der Strategie und sehen darin viele gute Vorhaben, zeigen sich gleichzeitig aber enttäuscht über das fehlende Geld. „Vonseiten des Bundes müssen (…) endlich verlässliche Zusagen zur Seehäfenfinanzierung folgen – für alle Häfen. Ohne diese Investitionen bleiben die Ziele der Nationalen Hafenstrategie unerreichbar – die Politik muss dringend nachbessern“, machte ZDS-Präsidentin Angela Titzrath deutlich. Beide Verbände wünschen sich, dass die Regierung den Wunsch nach mehr Geld bei der Aufstellung des Haushaltes für 2025 und bei Förderprogrammen berücksichtigt.
Der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB) hat die Arbeit an dem Strategiepapier im Beirat und in den Arbeitsgruppen begleitet und ist mit dem nun vorgelegten, in der Regierung ressortabgestimmten Ergebnis zufrieden. Ausdrücklich begrüßt wird von BDB-Geschäftsführer Jens Schwanen, dass die verstärkte Verlagerung des Verkehrs auf die Wasserstraße als strategisches Ziel definiert wird und hierfür die infrastrukturellen Voraussetzungen geschaffen werden sollen. Die Verlagerung von großen und schweren Gütern auf das Binnenschiff und die Stärkung der Intermodalität sind jedoch ohne Flussausbau nicht möglich. „Deshalb ist es nur konsequent, dass der bedarfsgerechte Ausbau der Hinterlandanbindungen zu den strategischen Zielen zählt: Projekte zur Engpassbeseitigung sollen priorisiert und die Maßnahmen der sog. Ahrensburger und Düsseldorfer Listen überprüft werden.“ Gleiches gelte für die Ankündigung des frühzeitigen Ausbaus von Speicher- und Bebunkerungskapazitäten für erneuerbare Kraftstoffe nicht-biogenen Ursprungs in den Häfen und den weiteren Bau von Landstromanlagen. So kann der Schifffahrt der Schritt in eine klimaneutrale Zukunft gelingen.
Der Zentralverband Deutscher Schiffsmakler begrüßt die Strategie „ausdrücklich“, denn sie „dient nicht nur als politische Standortbestimmung, sondern dokumentiert ausführlich, in welchen Bereichen es für den Bund und für die Länder Hausaufgaben gibt, die nun zeitnah abzuarbeiten sind“, sagt Alexander Geisler, Geschäftsführer des Verbands.
Die Umweltverbände WWF, NABU und BUND – die ebenso an der Erstellung der Strategie beteiligt waren – kritisieren, „dass die umfangreichen Maßnahmen zur weiteren Industrialisierung der Meere beitragen und den ohnehin schlechten Zustand weiter verschlechtern würden, wenn nicht aktiv gegengesteuert wird“. Viele der definierten Maßnahmen würden zudem im Widerspruch zum Naturschutzgedanken und den Leitsätzen der Strategie stehen, so dass ökologische Zielkonflikte entstünden. Dazu zähle beispielsweise die Vereinfachung von Genehmigungsverfahren zulasten sorgsamer Umweltplanung.
Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit
Minister Wissing verteidigte sich am Mittwoch gegen die Kritik und betonte, dass die Häfen in der „originären Zuständigkeit der Länder“ lägen und der Bund dem Grundgesetz zufolge für den Bau und Erhalt der zulaufenden Bundesverkehrswege zuständig sei und diese auch finanziere. Der Bund habe in den zurückliegenden zehn Jahren durchschnittlich rund 500 Millionen Euro pro Jahr für den Erhalt und Ausbau der seewärtigen Zufahrten zu den deutschen Häfen investiert.
Außerdem stehe der Bund weiterhin zur gemeinsamen Verantwortung für die Häfen, sagte Wissing. „Dazu zählt auch die Frage der angemessenen Beteiligung des Bundes an den Kosten der Länder. Wichtig ist uns dabei aber: erst der Plan, dann das Geld. Mit dem gemeinsamen Verständnis der Hafenstrategie können wir nun daran arbeiten, die hohen Investitionen zu verstetigen und Planungen zu beschleunigen.“