Die EU-Kommission begrüßt den Beschluss der UN-Luftfahrtorganisation ICAO, bis 2050 Klimaneutralität anzustreben, will deswegen die eigene Klimaschutzpolitik für den Luftverkehr aber nicht ändern. Die Einigung der 193 ICAO-Staaten sei ein „sehr positiver Schritt“, der Investoren und Wirtschaft Sicherheit gebe, sagte der Sprecher von EU-Verkehrskommissarin Adina Valean. Im Luftverkehr sei es wichtig, weltweit etwas für Klimaschutz zu tun. Die Kommission werde aber weiter an der Umsetzung ihres Klimaschutz-Gesetzespaketes „Fit for 55“ arbeiten, etwa an der Reform des EU-Emissionshandels und an Regeln für die Beimischung nachhaltigerer Flugtreibstoffe, sagte der Sprecher.
Viele ICAO-Mitgliedsstaaten möchten dagegen das internationale Klimaschutzinstrument der Luftfahrtbranche „Corsia“ zum einzigen Steuerungsinstrument machen. Ein Nebeneinander von Regulierungen werde dessen Wirksamkeit untergraben, sagte Willie Walsh, Generalsekretär des internationalen Luftfahrtverbandes IATA. Die ICAO beschloss, dass die weltweiten Luftverkehrsemissionen bei 85 Prozent des Niveaus von 2019 stabilisiert werden sollen und dass jedes Wachstum darüber hinaus durch die Unterstützung von Klimaschutzprojekten ausgeglichen werden muss (Offset-Prinzip).
Regeln für Ausgleich von Emissionen festgelegt
Der Schritt von 100 Prozent des Jahres 2019 zu 85 Prozent stärke Corsia und bedeute „eine erheblich größere Kostenbelastung für Airlines“, erklärte Walsh. Valeans Sprecher sagte, die Kommission habe sich eine „ehrgeizigere“ Stabilisierung der Emissionen bei 70 Prozent des Niveaus von 2019 gewünscht. Die ICAO entschied sich auch dagegen, den Durchschnitt der Jahre 2019 und 2020 als Maßstab zu nehmen. Die Einbeziehung des Pandemie-Jahres 2020 hätte das Niveau, ab dem Treibhausgasemissionen von den Airlines kompensiert werden müssen, weiter abgesenkt.
IATA erwartet mehr Unterstützung für SAF
„Jetzt, wo sich Regierungen und die Branche auf Klimaneutralität bis 2050 fokussieren, erwarten wir viel stärkere politische Initiativen in Schlüsselbereichen der Dekarbonisierung wie etwa Anreize, die Produktionskapazitäten von Sustainable Aviation Fuels (SAF) zu steigern“, sagte Walsh. Bisher gebe es erst wenig Angebot, und der Preis sei deutlich höher als der von konventionellem Flugbenzin. Die IATA schätzt, dass 65 Prozent der im Luftverkehr nötigen Emissionseinsparungen durch den Einsatz von SAF erreicht werden müssen.
Neben der IATA begrüßten auch fünf europäische Branchenverbände die ICAO-Beschlüsse und riefen die Regierungen weltweit auf, die Ziele politisch zu unterstützen. Die Einigung der ICAO-Staaten schaffe weltweit gleiche Wettbewerbsbedingungen und gebe Investoren Sicherheit, schreiben die Verbände Airlines for Europe (A4E), Airports Council International Europe (ACI Europe), European Regions’ Airline Association (ERA), Civil Air Navigation Services Organisation (CANSO) und Aerospace and Defence Industries Association of Europe (ASD Europe) in einer gemeinsamen Erklärung.
Umweltorganisation kritisiert die Beschlüsse
Die europäische Umweltorganisation Transport & Environment (T&E) kritisierte die ICAO-Beschlüsse dagegen als unzureichend. „Wir sollten nicht so tun, als ob ein nicht verbindliches Ziel die Airline-Emissionen auf null bringen wird“, sagte T&E-Luftfahrtdirektorin Jo Dardenne. Sie rief die EU auf, an ihren Gesetzgebungsplänen festzuhalten. Die von der ICAO beschlossene Regelung bedeute, dass 2030 lediglich 22 Prozent der globalen Airline-Emissionen kompensiert werden müssen. Außerdem sei der Preis für die Kompensationen in Corsia so niedrig, dass er der Branche keinen Anreiz biete, mehr nachhaltigen Treibstoff einzusetzen. Nach Berechnungen von T&E würden die ICAO-Regeln für den Ausgleich von Emissionen ein Ticket für einen Flug von Europa in die USA nur um 1,70 Euro verteuern.