Bei der Transformation von Energieerzeugung und -nutzung setzt Niedersachsen auf Bundeshilfe beim Ausbau von Hafenkapazitäten. Offshore-Windparks können nur entstehen, wenn die Windräder auch aus den Häfen aufs Meer gebracht werden können, meint Niedersachsens Umwelt- und Energieminister Christian Meyer.
DVZ: Herr Minister, Sie sind gerade von Ihrer Sommerreise zurück, auf der einen Tag die Offshore-Windenergie im Blickpunkt stand. Welche neuen Erkenntnisse haben Sie mitgenommen?
Christian Meyer: Es ist ein hochkomplexes Geschäft, die Nordsee zur grünen Energiefabrik zu machen. Ein Beispiel sind die Herausforderungen, von denen mir die Betreiber erzählt haben: Wer eine Schraube für ein Windrad braucht, muss es dem Zoll melden, wenn dieses Teil in die Außenwirtschaftszone (AWZ) gehen soll. Zum Teil sind damit viele Einzelvorgänge verbunden.
Und was hat Sie am meisten beeindruckt?
Der hohe Aufwand, Reparaturen vorzunehmen und die Sicherheit zu gewährleisten. Fast täglich wird zu den Offshore-Windparks rausgefahren. Zwischen den Häfen, den Schiffen und der Seenotrettung muss viel koordiniert werden. Aber ich war auch sehr positiv überrascht, wieviel Technik zum Einsatz kommt, wieviel Digitalisierung da drinsteckt, beispielsweise in Bezug auf die Überwachung der Windparks und das An- und Abschalten der Anlagen.
Wie ist der Ausbauszustand der Transportinfrastruktur? Was kann Niedersachsen leisten und wo sehen Sie Unterstützungsbedarf durch den Bund?
Wir sind mit Cuxhaven und Emden dabei und investieren als Land in die Hafeninfrastruktur. Für Cuxhaven sind 100 Millionen Euro zusätzlich für weitere Offshore-Liegeplätze eingeplant. Hinzu kommen 70 Millionen Euro im Rahmen des Masterplans Ems für den Großschiffsliegeplatz in Emden. Es geht aber auch um Mitarbeiterunterkünfte und ob man die kleineren Häfen für die Zulieferung und die Wartungsschiffe noch einmal stärkt. Wir geben allein in Niedersachsen zusammen mit dem Bund 2,4 Milliarden Euro für die Wasserstoffinfrastruktur aus, insbesondere für das Netz. Es wird allerdings eine große Herausforderung sein, die Trassen, die alle an die niedersächsische Küste gehen, zu koordinieren und mit vielen Pipelines und Seekabeln zu verbinden.
Wie soll all das in der kurzen Zeit umgesetzt werden?
Natürlich haben wir einen Fachkräftemangel, aber ich habe auch eine große Aufbruchstimmung bemerkt. Mitarbeiter machen diese Jobs gern, weil sie an der Energiewende mitwirken und da im Einsatz sind, wo andere Urlaub machen. Natürlich muss man die Arbeitsbedingungen sehr gut ausgestalten, und solche Jobs brauchen eine gute Bezahlung. Deshalb machen wir auch die grünen Berufe zum Schwerpunkt unserer Initiativen gegen den Fachkräftemangel.
Und wie soll das hafenseitig funktionieren? Schließlich braucht es Zeit und Geld, um dort die entsprechende Infrastruktur aufzubauen .
Der Jade-Weser-Port hat noch Kapazität, Bremerhaven ebenfalls. Das ist ein Milliardenkapitalmarkt und viele Unternehmen stellen sich darauf ein. Die Ausbaupläne sind natürlich ehrgeizig, aber wir haben beim LNG-Terminal in Wilhelmshaven gezeigt, dass wir das in 192 Tagen schaffen. Wir in Niedersachsen machen das einfach und beschleunigen mit der „Task Force Energiewende“ Genehmigungsverfahren. Schließlich haben alle ein Interesse daran, dass die Netzeinspeisung funktioniert, da man nur dann den Ertrag hat. Natürlich sind da Herausforderungen wie der weitere Ausbau in den Häfen, aber wir haben ja in Cuxhaven, Bremerhaven und Emden brachliegende Kapazitäten für Offshore aus den vergangenen Jahren, die man jetzt wieder reaktivieren kann und muss.
Als die Bundesnetzagentur kürzlich Flächen für drei Windparks in der Nordsee und einen Park in der Ostsee mit einer Summe von 12,6 Milliarden Euro ausschrieb, kamen am Ende die Mineralölkonzerne wie BP und Total Energies zum Zug. Diese müssen allerdings zunächst nur 10 Prozent anzahlen und zum Teil wird befürchtet, dass sie gar nicht bauen könnten. Wie beurteilen Sie das?
Ich hätte mir gewünscht, dass man ökologische und soziale Kriterien stärker bei den Ausschreibungen berücksichtigt hätte beim Bund und nicht das höchste Gebot nimmt. Aber man sieht, dass große Konzerne jetzt in Erneuerbaren ein riesiges Geschäft sehen. Die Unternehmen werden nicht Milliarden für Flächen investieren, die sie dann nicht nutzen. Ich bin überzeugt, dass das auch schnell realisiert wird.
Und wie soll der Ausbau der Häfen finanziert werden angesichts der großen Summen, die hierfür erforderlich sind?
Wir tragen eine nationale und europäische Verantwortung mit der Übernahme der Stromversorgung und deshalb erwarten wir auch vom Bund, dass er die Mehrkosten trägt. Er muss stärker in die norddeutschen Häfen investieren und dort auch Zuschüsse gewähren. Bei Wasserstoff haben wir einen Schlüssel von zwei Drittel durch den Bund und ein Drittel durch das Land. Vier von fünf deutschen großen Übertragungsnetzen wie der Süd-Link werden durch Niedersachsen gehen und viel Fläche verbrauchen. Für erneuerbare Energien planen wir in Niedersachsen die Einführung einer verpflichtenden Akzeptanzabgabe in Höhe von 0,2 Cent pro Kilowattstunde. Diese wird vom Betreiber des Windrads oder der Solaranlage an die Gemeinden bezahlt, er bekommt das Geld dann aber aus dem Erneuerbaren Energiegesetz zurück. Auch bei den Netzen brauchen wir Nordländer eine stärkere nationale Verantwortung des Bundes. Ich bin froh, dass der Bund angekündigt hat, die Netzentgelte dort zu senken, wo besonders viele Erneuerbare sind.
Eine weitere Herausforderung bei den Großprojekten im Zuge der Transformation ist die Zuständigkeit. Gibt es hier genügend Koordination?
Es gibt natürlich den maritimen Koordinator der Bundesregierung, Dieter Janecek, mit dem Wirtschaftsminister Olaf Lies und ich in Kontakt sind. Aber klar ist: Das Bundesfinanzministerium und die Bundesregierung insgesamt müssen den Ausbau der Häfen stärker finanzieren. Es kann ja nicht sein, dass wir in der Nordsee riesige Windparks planen, die Industrie die Windräder produziert und wir kriegen sie nicht raus, weil die Hafenkapazität nicht ausreicht. Allerdings wird Offshore auch einiges in den Häfen verdrängen, etwa Öl- und Gastanker. Exemplarisch könnte die Verteilung beim LNG-Terminal in Stade sein, wo der Bund, das Land und Niedersachsen Ports jeweils 100 Millionen Euro für den Bau gegeben haben. Das könnte man sich auch für Cuxhaven vorstellen, dass der Bund ebenfalls den Offshore-Ausbau mitfinanziert, den wir im nationalen Interesse voranbringen.
Aber bräuchte es nicht zusätzlich einen Koordinator für Energie, Offshore und Wasserstoff, um alle Fäden zu verknüpfen?
Es gibt die vom Bundesumweltministerium gegründete Stiftung Offshore-Windenergie, die sich genau mit solchen Fragen beschäftigt. Ihr haben wir gerade einen Folgeauftrag über rund 1 Million Euro gegeben, damit sie sich noch einmal stärker um die Rahmenbedingungen kümmern soll. Sie ist unternehmensneutral und soll zum Beispiel prüfen, an welchen Häfen etwa grüne Wasserstoffherstellung aus Windstrom sinnvoll ist. (jpn)
Christian Meyer
Der gebürtige Niedersachse (48) ist Diplom-Sozialwirt und seit 2022 Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz in seinem Heimatbundesland. Zuvor war er zwischen 2013 und 2017 zuständig für das Ressort für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Meyer ist seit knapp 30 Jahren Mitglied der Grünen und sitzt seit 2008 für die Partei im niedersächsischen Landtag.