Wer klebt, bewegt nichts. Diesen Standpunkt vertritt Elisabeth Zehetner, Obfrau von Oecolution Austria (Initiative zur nachhaltigen Standortentwicklung): „Um die Energiewende zu schaffen, benötigen wir Leute, die anpacken und diese gestalten.“ Österreich habe sich mittlerweile als Innovations- und Marktführer bei der Entwicklung und Anwendung grüner Technologien bewährt. Unternehmen erschließen dadurch neue Märkte – allein es fehlt das Fachpersonal: „Rund 100.000 Mitarbeiter werden laut Klima- und Energiefonds dringend gesucht“, sagt Zehetner. Dies drohe zum Risikofaktor der Klima- und Energiewende zu werden, sollte nicht schleunigst gegengesteuert und mehr Bewusstsein für „grüne Jobs der Zukunft“ geschaffen werden.
Fehlende Information
Grünes Bewusstsein und der Wille sich zu engagieren ist bei der Jugend ausreichend vorhanden. Dies belegt eine Studie des Meinungsforschungsinstituts market, wonach sich 53 Prozent der jungen Menschen zwischen 15 und 29 Jahren intensiv mit dem Thema „Klimawandel“ beschäftigen. Doch zwischen sich öffnenden Chancen und Perspektiven und dem Informationsstand der Jugendlichen klafft ein riesiges Loch. Derzeit sehen nur 17 Prozent der Befragten die Möglichkeit, mit ihrer Berufswahl etwas für die Umwelt tun zu können. „Hier müssen neben den Schulen vor allem die Eltern in die Pflicht genommen werden“, appelliert Zehetner. 81 Prozent der Befragten fordern generell mehr Information über Zukunftsberufe. Für echte Bewusstseinsbildung brauche es mehr als Aktionismus, fordert Zehetner konkrete Maßnahmen noch vor der österreichischen Nationalratswahl im Herbst: „Statt jährlich 200 Millionen Euro für Wahlzuckerl wie das Gratis-Klimaticket für 18-Jährige bereitzustellen, könnte man mit einem Bruchteil eine breite Info-Offensive für Jugendliche und deren Eltern auf die Beine stellen.“
Neue Normalität
Eine weitere Befragung von 800 Jugendlichen (zwischen 10 und 16 Jahren) prognostiziert einen eklatanten Bewusstseins- und Wertewandel: Für rund 70 Prozent wird es in ferner Zukunft normal sein, Energie aus Solaranlagen und Windrädern zu gewinnen. Ebenso viele Jugendliche gehen von einer breiten Recyclebarkeit verwendeter Materialien aus. Für jeweils rund 65 Prozent sind klimafreundlichere Produkte zukünftige Normalität, 48 Prozent können sich vorstellen, im Labor hergestellte Lebensmittel zu essen.
Basisarbeit geleistet
Gemeinsam mit dem Österreichischen Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft leistete Oecolution Austria Vorarbeit, hat verschiedene Berufsfelder ausgewertet und schließlich 13 grüne Berufsfelder definiert. Ihre Zukunftschancen werden in der Bewusstseinskampagne Fighters4Climate#karrierefürsklima lebensnah erklärt:
• Softwaredesigner/in
• Solartechniker/in
• Energietechniker/in
• Umwelttechniker/in
• Verfahrenstechniker/in
• Elektrotechniker/in
• Recyclingtechniker/in
• Installations- und Gebäudetechniker/in
• Klima- und Heizungstechniker/in
• Maschinenbauer/in
• Hochbauer/in
• Tiefbauer/in
• Mechatroniker/in
Die „Shooting-Stars“ unter den „Fighters4Climate“ sind natürlich Softwaredesigner, Solar- und Energietechniker. Sie können, wie die meisten anderen Berufe auch, im Rahmen einer Lehrausbildung ergriffen werden. Dies dauert in der Regel drei bis vier Jahre und findet in Österreich „dual“ statt, also in Betrieb und einer zugewiesenen Berufsschule. Absolventen einer vierjährigen Fachschule (mit Abschlussprüfung) oder einer höheren Lehranstalt (mit Abitur) sind als Spezialisten in allen grünen Berufsfeldern ebenfalls sehr gefragt und steigen gut bezahlt im „Mittelbau“ ein. HLA-Absolventen erlangen nach einer gewissen Praxiszeit auch das Recht, den Titel „Ingenieur“ zu führen. Gut etabliert ist in Österreich auch die Kombination „Matura (Abitur) und Lehre“. Dafür gibt es zwei Wege: Entweder legt der Jugendliche im Rahmen seiner Lehrausbildung eine „Berufsmatura“ (auch Berufsreifeprüfung genannt) ab, die ihn auch für ein Fachhochschul- oder Universitätsstudium berechtigt. Dies ist in Österreich für jeden Lehrberuf möglich. Für Abiturienten allgemeiner höherer Schulen (AHS) ist die „Duale Akademie“, eine Möglichkeit, zusätzlich einen Lehrabschluss, etwa für die Fachrichtungen Technik, Automation oder Fertigung zu erwerben.
Jedenfalls sind die Ausbildungsmöglichkeiten und Karrierechancen mindestens so vielfältig wie die neuen Herausforderungen: So beherrschen Softwaredesigner und -architekten verschiedene Programmierund Computersprachen. Sie arbeiten im Sinne grüner Nachhaltigkeit im Team mit Absolventen des Lehrberufs „Applikationsentwicklung – Coding“. HLA/FSch-Absolventen für Elektronik und (technische)Informatik und Jungakademikern verschiedener „Computing-Studienrichtungen.“ Für die Logistikbranche entwickeln sie beispielsweise IT-gesteuerte Prozesse für nachhaltige Touren- und Intralogistiksteuerung, ökologisches Betriebsanlagen-Management und papierlosen Bürobetrieb.
Doch was nützt die beste Programmierung, wenn es für die automatisierten Prozesse keine geeigneten Apparate und Anlagen gibt? Diese planen, entwickeln und konstruieren die Maschinenbauer. Sie kommen vor allem in der Intralogistik zum Einsatz, wo sie zum Beispiel komplette Hochregal- und Shuttlesysteme konzipieren. Für die in eCommerce-Zeiten boomende Distributionslogistik realisieren sie automatische Kleinteilelager, Sortiermaschinen et cetera.
Auch Energie- und Umwelttechniker sind aus dem Logistikbetrieb nicht mehr wegzudenken. Sind doch gerade Energie-, Entsorgungs- und Recyclingausgaben für jeden Spediteur oder Transportunternehmer gewaltige Kostenfaktoren. Energieund Umwelttechniker planen für Industrie- und Logistikbetriebe Maßnahmen zu Schadstoffemissionen oder zur umweltgerechten Abfall- und Verpackungsentsorgung.
Zudem kontrollieren, warten und reparieren sie Anlagen zur Energieerzeugung, die unter anderem von Solartechnikern geplant und konstruiert werden. Diese eher in Betrieben für Elektroinstallation und Anlagenbau beschäftigten Mitarbeiter kommen in der Logistikbranche mehr als Auftragnehmer zum Einsatz. Denn Dachflächen für Photovoltaikanlagen gibt es auf Logistikhallen naturgemäß genug.
Für die nachhaltige Versorgung der Gebäude mit Wärme, Wasser und frischer Luft zeichnen die Installations- und Gebäudetechniker sowie Klima- und Heizungstechniker verantwortlich. Sie planen und installieren, maßgeblich unter der Devise „weg von Gas und Kohle“ Wasserver- und -entsorgungsanlagen, Sonnenkollektoren, Klimaanlagen und beraten ihre Kunden über energiesparende Technologien.
Recyclingtechniker beschäftigen sich in Logistik- und Industriebetrieben mit den verschiedenen Wertrückgewinnungsstufen der Entsorgungslogistik. Das Sammeln des anfallenden Abfalls (Redistribution), die stoffliche oder energetische Aufbereitung sowie die Wiedereinsatzlogistik erfordert ein perfektes Zusammenspiel zwischen Logistik und Produktion. So werden bereits bei der Planung neuer Produktionsschritte Einsparungspotenziale aufgezeigt und teure Entsorgungskosten vermieden.
Eine Sonderstellung nimmt der Verfahrenstechniker ein, dessen Laufbahn in der Regel mit dem Abschluss eines Fachhochschul- oder Universitätsstudiums beginnt. Typisch sind die Bachelor- oder Masterstudiengänge „Erneuerbare Energien“, „Umwelt-, Verfahrens und Energietechnik“ oder „Nachhaltige Produktion und Kreislaufwirtschaft.“ Berufseinsteiger kommen praktisch in allen Industrie-, aber auch bestimmten Logistikzweigen zum Einsatz. Sie arbeiten mit unterschiedlichen Spezialisten wie Chemikern, Physikern, Kunststofftechnikern, Metalltechnikern, Technischen Zeichnern et cetera zusammen.
Reine Handwerksberufe sind hingegen die Hoch- und Tiefbauer. Früher oft geringschätzig als Maurer oder Straßenarbeiter bezeichnet, verfügen sie heute über ein profundes Wissen über nachhaltige Baustoffe und Bauweisen. Das ist gerade für Logistikunternehmen, deren ISO-Zertifizierungen für Qualitäts-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement ein Wettbewerbskriterium sind, von besonderer Bedeutung. Beide Berufe sind ideal für Kandidaten im zweiten Bildungsweg. Machen Bauhelfer glaubhaft, über ausreichend Fertigkeiten und Kenntnisse zu verfügen, können sie in Österreich zur „außerordentlichen Lehrabschlussprüfung“ zugelassen werden.
Im Gesamtblick finden sich allerdings – selbst bei großen österreichischen Logistikdienstleistern – all diese noch nicht im hauseigenen Ausbildungs- oder Fachpersonalstand. Green Logictics im Sinne von ganzheitlichen Optimierungen in der Unternehmensstrategie, in IT-Strukturen und -prozessen, umweltfreundlicher Lagerhaltung sowie im Maschinen- und Logistikanlagenbau wird (noch) von speziell geschultem Fachpersonal oder Subunternehmern abgedeckt. Absolventen der in diesem Artikel beschriebenen grünen Ausbildungen finden sich daher bei diesen Subunternehmern und Auftragnehmern – dies allerdings im großen Umfang, nachdem das Bewusstsein für umweltfreundliche Logistik und effizientes Ressourcen-Management, so bestätigt die Logistikbranche unisono, in Österreich ein großes Thema ist.