Gut’ Ding will Weile haben. 2010 plädierte Andreas Löffert, Geschäftsführer des Hafens Straubing-Sand, in einem Artikel für die DVZ dafür, Logistikzentren aus Holz zu bauen. Ein solcher Baustoff habe nicht nur ökologische, sondern auch bauliche Vorteile.
„Holzkonstruktionen sind sehr stabil und lassen sich rasch anpassen“, schlussfolgerte der Hafenlogistiker aus einer Auftragsstudie. „Auch das geringe Eigengewicht, die hohe Beständigkeit und die kurzen Bauzeiten machen diesen Baustoff für Logistikanlagen interessant.“
14 Jahre später kann Löffert endlich die Probe aufs Exempel machen. Auf einem 47.000 Quadratmeter großen Grundstück im Hafengelände baut die Garbe Industrial Real Estate für 31 Millionen Euro eine Logistikimmobilie aus Holz. Der Standort wird eine Lagerfläche von 24.500 Quadratmetern mit 26 Überladebrücken und 9 überdachten Sektionaltoren haben. Hinzu kommen eine 1.500 Quadratmeter große Lagermezzanine, weitere Büro- und Sozialflächen, Park- und Stellplätze für 12 Lkw, 70 Pkw und 30 Fahrräder. Die Vorzeigeimmobilie hat Bahnanschluss und wird über eine Photovoltaikanlage auf dem Dach mit Strom versorgt.
Voraussichtlich August 2025 wird die Vorzeigeimmobilie eröffnet, die notwendigen Baugenehmigungen sind bislang schnell erteilt worden. „Wir wünschen einen echten ‚Hingucker‘“, betont Löffert. Für den Hafenchef ist Garbe der richtige Partner für ein solches Projekt. Die Hamburger, die aufsehenerregende Bauten in Holzbauweise wie ein 18-stöckiges Hochhaus in der Hafen City der Hansestadt realisiert haben, gingen in ihrer Bewerbung über die Anforderungen der Hafengesellschaft hinaus. Sie schlugen beispielsweise eine Vollholzfassade vor, die in den Ausschreibungsunterlagen gar nicht gefordert war. „Wir konnten das Projekt wirtschaftlich darstellen“, betont Maik Zeranski, Mitglied der Geschäftsleitung von Garbe. Weil Holz zehn Prozent teurer als andere Baustoffe ist, müssen Einsparpotenziale an anderen Stellen ausgeschöpft werden.
Mit Ausnahme des Bodens sollen alle wichtigen Teile der Halle aus Holz bestehen. Die Fassaden werden aus Douglasienholz, Dachwerk, Stützen und andere Konstruktionsteile aus Fichtenholz gebaut. Garbe wird mit diesem Konzept gegenüber herkömmlichen Baulösungen aus Stahl und Beton bis zu 66 Prozent weniger CO2 verbrauchen. Das haben interne Berechnungen ergeben. Außerdem winken bauliche Vorteile. Wenn viele Bauteile extern vorgefertigt werden, verkürzt dies die Bauzeiten. Weiter sind rückbaubare Konstruktionen möglich. Die Halle kann jederzeit demontiert und an anderer Stelle wiederaufgebaut werden.
Projekt am richtigen Standort
„Holz ist wie kaum ein anderer Werkstoff in der Lage, hohe Spannweiten zu überbrücken“, schrieb Löffert bereits 2010. Für den Hafenchef ist Straubing-Sand genau der richtige Standort für ein solches Pionierprojekt. „Hier ist eine Hochburg für biobasierte Wirtschaft entstanden“, sagt er. Außer einem „Logistik–Kai“ gibt es hier einen „Start-up-Kai“ und einen „Bio-Kai“. In diesen haben sich zahlreiche Unternehmen niedergelassen, die sich auf Anwendungen und Nutzungen von nachwachsenden Rohstoffen spezialisiert haben. Die Hafen-Tochter Biocampus Straubing GmbH wirbt Biotechnologie- und weitere biobasierte Unternehmen an, der Business- und Ideenwettbewerb „PlanB“ fördert Gründer, die ihre Ideen und Geschäftskonzepte im örtlichen Technoilogie- und Gründerzentrum realisieren. Auch die Wissenschaft ist präsent. Vor Ort forschen das Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV), das Technologie- und Förderzentrum (TFZ) des Freistaats und weitere Institute und Hochschulen.
Erste Anfrage liegt vor
„Das Thema Nachhaltigkeit ist Teil unserer DNA“, sagt Löffert. Das wünscht er sich auch von den künftigen Mietern der Immobilie. Eine erste Anfrage aus der in Niederbayern sehr präsenten Automotive-Industrie liegt bereits vor. Als Baustoff ist Holz in vielen Standorten längst präsent. Manche neuen Zentren weisen Dachkonstruktion und Stützen aus diesem Baustoff auf. Auch Außenfassaden aus Holz sind nichts Neues. Im schweizerischen Boswil errichtete der Baustoffhersteller Swisspor bereits 2006 in nur acht Wochen eine werkseigene Logistikhalle mit 16.000 Quadratmetern Lagerfläche in Holzbauweise. Als Folge der strengen Schweizer Brandschutzvorschriften musste die Halle allerdings in fünf abgetrennte Flächen unterteilt werden.
An größere Objekte für externe Nutzer wagen sich die Entwickler allerdings erst jetzt. Mit Spannung verfolgt die Branche den Bau des Logistic Center West nahe Amsterdam. Für den dänischen Moderiesen Bestseller zieht der Wiener Holzbauspezialist UBM Development einen 155.000 Quadratmeter großen Standort aus Brettsperrholz hoch. Auch in Deutschland wollen die Österreicher aktiv werden. In München planen sie auf einem knapp 60.000 Quadratmeter großen Logistikstandort eine „Timber Factory“ mit vier Gebäuden. Vor allem kleinere Produktions- und Logistikbetriebe sollen hier einziehen. Fassadenverkleidung und Innenausbau will UBM ausschließlich aus Holz bauen, für das Dach ist eine Hybridlösung mit Beton und anderen herkömmlichen Baustoffen vorgesehen.
31 Millionen Euro werden für 24.500 Quadratmeter Lagerfläche investiert.
Von Straubing-Sand, „Timber Factory“ und anderen Projekten kann eine Signalwirkung für künftige Logistikgebäude ausgehen. Davon sind Branchenkenner wie Kuno Neumeier überzeugt. „Die Holzhybridbauweise ist nicht nur wegen ihrer Nachhaltigkeit eine gute Alternative zu herkömmlichen Bautechnologien“, sagt der Geschäftsführer von Logivest. „Sie ermöglicht durch die Kombination verschiedener Materialien eine große gestalterische Freiheit in puncto Ästhetik und kann so Gewerbe- und Logistikbauten auch optisch attraktiver machen.“ Auf einen ganz anderen Aspekt macht Zeranski aufmerksam. „In Räumen aus Holz fühlen sich Beschäftigte wohler als in Räumen aus Beton“, sagt der Garbe-Manager. „Auch für die Mitarbeiterbindung ist Holz als Baustoff wichtig.“ Hafenchef Löffert kann dies bestätigen. „Als wir den zweiten Bauabschnitt für unser Technologie- und Gründerzentrum realisierten, entschieden wir uns ebenfalls für eine Holzbauweise,“ sagt der Logistiker. „Die meisten Mieter wollten sofort in das neue Gebäude umziehen.“
Stefan Bottler ist freier Journalist mit Sitz in Oberschleißheim