Die Dynamik im Hochlauf der E-Lkw beginnt sich zu verändern. Im Bereich der Logistik lässt sich das beispielsweise in der Paketzustellung auf der letzten Meile erkennen. Hier wird der Umstieg von der Tatsache begünstigt, dass die Anforderungen an die Reichweite der Fahrzeuge niedrig sind. Für die Mittel- und Langstrecke hingegen ist das Angebot der Lkw- und Transporterhersteller derzeit noch begrenzt. Allerdings hat sich die „Pipeline“ in den letzten sechs Monaten bereits stark gefüllt, und ein Schwung relevanter Fahrzeuge wird zeitnah auf dem Markt erwartet.
Diese Entwicklung geht maßgeblich auf die von den drei großen europäischen Lkw-OEMs Traton, Volvo und Daimler angekündigten aggressiven Ziele für alternative Antriebe bis 2030 zurück. Während Traton eine hauptsächlich elektrische Strategie für das gesamte Portfolio verfolgt, setzen Volvo und Daimler auf eine Mischung aus Lkw mit batterieelektrischem oder Brennstoffzellen-Antrieb.
Aus heutiger Sicht scheint es offensichtlich, dass batterieelektrische Fahrzeuge die Nachfolgetechnik für die Kurz- und Mittelstrecken sein werden, während Wasserstoff-Brennstoffzellen-Lkw nur im Langstreckenbereich wettbewerbsfähig sein werden. Im Durchschnitt ist davon auszugehen, dass bis 2030 bereits 40 Prozent der neu zugelassenen mittelschweren und schweren Lkw elektrisch betrieben sein werden.
Herausforderung Langstrecke
Aus technischer Sicht weist der Langstrecken-Batterie-Lkw einige Nachteile gegenüber der Wasserstoff-Brennstoffzellen-Lösung auf. Dazu gehören beispielsweise eine geringere Reichweite und weniger Nutzlast aufgrund des hohen Batteriegewichts. Außerdem spielen die Abhängigkeit von Lademöglichkeiten und die längere Ladedauer eine größere Rolle auf der Langstrecke.
Da jedoch heute noch keine skalierbaren Use-Cases zur Kostensenkung und Technikoptimierung für die Wasserstoff-Brennstoffzelle vorliegen, gewinnt der E-Truck trotz der genannten Nachteile an Momentum. Das Joint Venture von Traton, Daimler und Volvo zur Errichtung eines europäischen Hochleistungsladenetzes auf wichtigen Fernverkehrsrouten ist hier wegweisend. Innerhalb von fünf Jahren wollen die drei Partner mindestens 1.700 leistungsstarke Ladepunkte errichten und betreiben. Ziel ist es, dass die Langstrecken-Lkw in den ohnehin verpflichtenden 45 Minuten Pause alle viereinhalb Stunden ihre Batterien für weitere viereinhalb Stunden Reichweite aufladen. Ein zusätzliches Reservierungssystem für die Ladesäulen wäre notwendig, um einen Ladeplatz sicherzustellen. Das heißt, die Fahrer müssten ihre Pausen und die verbleibende Reichweite aufeinander abstimmen oder aber ein digitales Tool übernimmt diese Aufgabe.
Obwohl die Pläne ehrgeizig sind, steht die Elektrifizierung von Lkw noch am Anfang der Reise. Ende 2020 waren in der EU nur etwa 1.000 Elektro-Lkw zugelassen. Diese Zahl soll bis 2025 um das 90-Fache steigen, und bis 2030 sollen rund 10 Prozent aller Lastwagen in Europa elektrisch fahren. Das entspricht rund 560.000 Einheiten.
Erfolgsfaktor Ladeinfrastruktur
Ein kritischer Erfolgsfaktor für den Hochlauf der Elektromobilität im Straßengüterverkehr ist die Ladeinfrastruktur, da bei Trucks höhere Anforderungen für den Zugang zu Ladepunkten bestehen. Durch die rapide steigende Anzahl an Elektro-Lkw wird der schleppende Ausbau der notwendigen Infrastruktur zum wesentlichen Hemmnis bei der Gewährleistung der künftigen Lieferketten. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Lieferverzögerungen, die bei mangelnder Infrastruktur entstehen würden.
Mit der zunehmenden Verbreitung elektrisch betriebener Lastwagen wird eine immense Menge an vornehmlich grüner Energie benötigt. Eine umfassende Analyse der Flottenentwicklung, des Fahrverhaltens und des Energieverbrauchs vom Beratungshaus Arthur D. Little zeigt, dass Elektro-Lkw bis 2030 trotz einer erwarteten Flottengröße von nur etwa 1 Prozent gemessen an der Elektro-Pkw-Flotte (batterieelektrische Fahrzeuge und Plug-in-Hybride) fast die Hälfte des Energiebedarfs ihrer Pkw-Pendants benötigen könnten.
Wie und wo wird geladen?
Man unterscheidet vier verschiedene Anwendungsfälle für das Aufladen von Lkw. Das Hauptunterscheidungsmerkmal ist die Zeit, die ein Lkw zum Aufladen zur Verfügung hat, welche wiederum entscheidend für die Leistungskapazität der Ladesäulen ist. Im eigenen Depot zu laden, ist das Äquivalent zur Wallbox für den Pkw. Gehen die Lkw über Nacht an das Netz, reicht die Zeit für eine vollständige Aufladung.
Je nach Fahrzeugkonzept können hier sowohl einfache AC-Ladegeräte mit 22 Kilowatt sowie fortschrittlichere DC-Schnellladegeräte mit bis zu 150 Kilowatt zum Einsatz kommen. Für das Laden am Zielort sind Ladesäulen mit etwa 350 Kilowatt empfehlenswert. Mit einer deutlich geringeren Ladezeit zwischen ein und zwei Stunden ist dieser Lade-Use-Case besonders für Lkw in einer Hub-to-Hub-Anwendung geeignet.
Im Bereich der Langstrecken-Fahrzeuge empfiehlt sich dagegen das Schnellladen an öffentlichen Ladesäulen, die im Optimalfall mit einer Leistung von 1.000 Kilowatt oder mehr ausgestattet sind, um die Ladezeiten so kurz wie möglich zu halten. Nutzt man hingegen das öffentliche Laden über Nacht, reichen bereits Ladegeräte mit lediglich 100 bis 150 Kilowatt. Die Stellplätze an den Autobahnen werden hier jedoch schnell ausgelastet sein, so dass auch in diesem Bereich eine Erweiterung geplant werden sollte.
Wo die E-Trucks in Zukunft geladen werden, wird vor allem von ihrem Aufgabengebiet und den unterschiedlichen Streckenlängen abhängen. Die Herausforderungen der jeweiligen Anwendungsfälle sind jedoch nahezu identisch.
Ein europäisches Projekt
Auf das Stromnetz kommen enorme Leistungsanforderungen zu, denn damit die benötigte Energiemenge bereitgestellt werden kann, müssen Ladepunkte unter Umständen an das Hochspannungsnetz angeschlossen werden. Dies hat immense Auswirkungen auf die Standortwahl, die Netze und die Energieerzeugung. Angesichts der Vorlaufzeiten, die normalerweise mit der Entwicklung einer solchen Infrastruktur verbunden sind, sind Regierungen und Versorgungsunternehmen gut beraten, schnell zu handeln.
Dazu müssen zeitnah abgestimmte Pläne zum Ausbau der Ladeinfrastruktur entstehen, die über die Pläne der OEMs hinausgehen, insbesondere um den steigenden Strombedarf decken zu können. Zu beachten ist dabei jedoch auch, dass die europäische Logistik in erster Linie entlang länderübergreifender Hauptachsen läuft. Diese müssen strategisch mit modernster Infrastruktur abgedeckt werden – ohne Zweifel müssen sich Industrie und Politik darauf einstellen, ein solches grenzüberschreitendes Großprojekt anzugehen, um dem Ziel der Dekarbonisierung der Logistik näher zu kommen.
Gleichzeitig müssen Lkw-Betreiber in ihren Depots eigene Lademöglichkeiten errichten. Dies geht mit einem hohen Investment bei geringen Margen einher. Nur wenn die beteiligten Stakeholder – Politiker, Hersteller und Lkw-Betreiber – gemeinsam an Lösungen für diese Herausforderungen arbeiten, kann der Hochlauf der E-Mobilität im Lkw-Bereich gelingen. (ben)
Alexander Krug ist Partner bei der Strategieberatung Arthur D. Little und Experte für E-Mobilität und Ladeinfrastruktur.
Thomas Knoblinger ist Manager bei Arthur D. Little und Experte für E-Mobilität mit Schwerpunkt Logistik.