Um die CO₂-Vorgaben in Europa zu erfüllen, müssen deutlich mehr E-Lkw oder solche mit Wasserstoffantrieb auf den Markt kommen. Wie die Unternehmensberatung McKinsey & Company in ihrer jüngsten Studie mit dem Titel „On the road to success“ errechnet hat, liegt der Anteil der emissionslosen Lkw an den Zulassungen in Europa derzeit bei 2 Prozent. Um die EU-Ziele zu erreichen, gilt es, die Zulassungszahlen bis 2030 auf 40 Prozent zu steigern. Wird die derzeitige Kaufzurückhaltung der Fuhrparkbetreiber überwunden, könnte dann bereits 2035 jeder zweite Lkw emissionsfrei fahren.
Allerdings sehen sich viele, insbesondere kleinere Logistikunternehmen nicht in der Lage, die um 50 bis 250 Prozent höheren Anschaffungskosten für Null-Emissions-Trucks zu stemmen. Von über 250 Flottenbetreibern, die für die Studie befragt wurden, nennen 34 Prozent Unsicherheiten über die Batterielebensdauer, 31 Prozent lange Ladedauer und 30 Prozent mangelnde Reichweite als Gründe gegen die Anschaffung eines batterieelektrischen Trucks.
900.000 Ladepunkte erforderlich
Um den Hochlauf überhaupt realisieren zu können, müssten bis 2035 bis zu 900.000 private Ladepunkte in Europa installiert werden – dafür sind 20 Milliarden US-Dollar an Investitionen nötig. „Aktuell ist nur ein Bruchteil dieser Summe fest zugesagt“, stellt Anna Herlt, Senior Partner im Münchner Büro von McKinsey und weltweite Leiterin der Nutzfahrzeugberatung, fest. Als Gründe dafür sieht sie unter anderem die schleppenden Genehmigungsverfahren und Anschlüsse von Lkw-Ladeparks an das Stromnetz.
Um den Hochlauf erfolgreich zu gestalten und zu ähnlichen Gesamtbetriebskosten wie bei Diesel-Lkw zu kommen, müssten die Anschaffungskosten um bis zu 50 Prozent und die Ladekosten um 25 Prozent im Vergleich zu heute sinken. „Batterieelektrische Trucks dürfen unter den aktuellen Rahmenbedingungen in der Anschaffung höchstens 30 Prozent teurer sein, um für Kunden in den Gesamtbetriebskosten attraktiv zu sein“, erklärt Philipp Radtke, Senior Partner von McKinsey.
Das Nutzfahrzeuggeschäft wandelt sich
Eine deutliche Preissenkung für emissionsfreie Lkw hätte nach Ansicht der Studienautoren nur überschaubare Auswirkungen. Sie prognostizieren für die Nutzfahrzeugbranche einen fundamentalen Wandel. So soll das Geschäft mit Neufahrzeugen im Jahr 2035 nur noch 7 Prozent zum Gewinn beitragen. Viel wichtiger wäre das Aftermarket-Geschäft, in dem die OEMs 38 Prozent ihrer Gewinne erzielen dürften. Hinzu kommt das Geschäft mit den neuen, datenbasierten Mobilitätsangeboten, das von Ladelösungen über Vernetzungsservices bis hin zu Versicherungen reicht. In diesem Bereich dürften die Lkw-Hersteller künftig nach Ansicht der McKinsey-Experten rund 34 Prozent ihrer Gewinne erwirtschaften.
Truck-as-a-Service als Geschäftsmodell
Diese beiden großen Bereiche lassen sich unter dem Begriff „Truck-as-a-Service“ (TaaS) zusammenfassen. „Fast drei Viertel des Gewinns der Branche im Jahr 2035 entstehen aus diesen wiederkehrenden Services“, sagt Tobias Schneiderbauer, Co-Autor der Studie. 90 Prozent der befragten Logistiker stehen TaaS interessiert gegenüber. „Für Hersteller und Zulieferer aus der Truckbranche werden neue Kompetenzen, beispielsweise im Softwarebereich, aber auch Kooperationen und Partnerschaften mit Tech-Playern zunehmend wichtig, um an den zukünftigen Wertsteigerungen der Branche zu partizipieren.“