US-Wissenschaftler legen einen Zusammenhang nahe zwischen der im Zuge der IMO 2020 erfolgten Senkung des Schwefelanteils im Schiffstreibstoff und der über bestimmten Ozeanregionen zu beobachtenden Erwärmung der Atmosphäre.

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Schwefelarme Schiffstreibstoffe könnten Erderwärmung begünstigen

07.06.2024

US-Wissenschaftler vermuten einen Zusammenhang zwischen der Senkung des Schwefelgehalts in Schiffstreibstoffen im Zuge der IMO 2020 und der beobachteten Erwärmung der Atmosphäre über bestimmten Ozeanregionen. Nicht an der Studie beteiligte Forscher reagieren skeptisch.

Der deutliche Rückgang der Schwefeldioxid-Emissionen aus dem Schiffsverkehr könnte maßgeblich ursächlich sein für die über bestimmten Ozeanregionen zu beobachtende Erwärmung der Atmosphäre. Dies ist eines der Ergebnisse einer Modellierungsstudie, über die ein Forschungsteam der University of Maryland in Baltimore im Fachjournal „Communications Earth & Environment“ berichtet.

Etwa 80 Prozent des ab 2020 registrierten Anstiegs der auf der Erde gespeicherten Wärmeenergie könnten somit ein unbeabsichtigter Nebeneffekt der IMO 2020 sein. Die seit dem 1. Januar 2020 geltende Regulierung verpflichtet Schiffseigener, Treibstoff mit höchstens 0,5 Prozent Schwefelanteil zu bunkern.

Weniger Sulfat-Aerosole in der Luft

Demnach gingen im Zuge einer neuen Verordnung für sauberere Schiffskraftstoffe der Gehalt an atmosphärischen Sulfat-Aerosolen und in der Folge die Wolkentröpfchen-Dichte erheblich zurück. Das wiederum habe zu einer Verdunklung der Meereswolken geführt, die dadurch weniger Sonnenstrahlung ins All zurück reflektierten.

Das für große Schiffe verwendete Schweröl hat einen wesentlich höheren Schwefelgehalt als Kraftstoffe, die für andere Fahrzeuge verwendet werden. Bei der Verbrennung entsteht Schwefeldioxid, das mit Wasserdampf in der Atmosphäre reagiert und Sulfat-Aerosole erzeugt.

Diese kühlen die Erdoberfläche auf zweierlei Weise: indem sie das Sonnenlicht direkt in den Weltraum zurückwerfen und indem sie die Wolkenbedeckung beeinflussen.

Mit steigender Menge an Aerosolen steigt die Zahl sich bildender Wassertröpfchen, während sich ihre Größe verringert. In der Folge nimmt die Wolkenbedeckung zu und hellere Wolken entstehen, die mehr Sonnenlicht ins All zurückwerfen, wie die Forschenden erläutern.

Doppelt so hohe Erwärmungsrate

Die Wissenschaftler schätzten den Energiehaushalt der Erde, also die Differenz zwischen der von der Sonne empfangenen und der von der Erde abgestrahlten Energie ab 2020. Laut Forschungsteam bewirkte IMO 2020 einen „starken temporären Schock“ für die Netto-Wärmeaufnahme des Planeten.

Die Verwendung von Schiffstreibstoffen mit niedrigem Schwefelgehalt könnte der globalen Erwärmung auch in den kommenden Jahren einen erheblichen Schub geben, so die Wissenschaftler. Der Modellierung zufolge könnte für das Jahrzehnt eine Erwärmungsrate von 0,24 Grad Celsius zu erwarten sein; das wäre mehr als doppelt so viel wie durchschnittlich seit 1880 zu beobachten war.

Nicht an der Studie beteiligte Experten sind allerdings skeptisch. „Da ist Vorsicht geboten“, sagte Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Wenn man einen Effekt für einen so kurzen Zeitraum betrachte, sei das generell fehleranfälliger als bei längeren Zeiträumen. (dpa/ol)

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