„Motorschiff ‚Helios‘ der HGK Shipping hält Guinness-Weltrekord für die meisten Solarpaneele an Bord“. Mit dieser Schlagzeile präsentierte HGK Shipping, Tochtergesellschaft der Häfen- und Güterverkehr Köln AG, im September ein technologisches Highlight in der Binnenschifffahrt, das vor allem durch seine Größe besticht: 312 Solarpaneele, die auf 27 Ladeluken über dem Frachtraum der „Helios“ – benannt nach dem griechischen Sonnengott – installiert sind, gelten weltweit als einmalig. Das rechtfertigte die Zertifizierung durch das Label Guinness World Records bei den World Port Days in Rotterdam.
Mit bis zu 90 eingesparten Tonnen CO2 pro Jahr soll die Photovoltaikanlage den Betrieb an Bord des Schiffs umweltfreundlicher machen. Die „Helios“, 135 Meter lang und 11,45 Meter breit, fährt als Trockengüterschiff von HGK Shipping für den US-amerikanischen Agrar-Konzern Archer-Daniel-Midlands (ADM). Transportiert wird vor allem Saatgut nach Deutschland zu den dortigen ADM-Standorten wie etwa Mainz. Hersteller der Ladeluken- und Solartechnologie sind die niederländischen Unternehmen Blommaert und Wattlab.
„Der Weltrekord ist etwas Besonderes“, freut sich Steffen Bauer, CEO von HGK Shipping. Er sei aber kein Selbstzweck: „Nicht nur als Logistikwirtschaft, sondern als gesamte Gesellschaft müssen wir schauen, wie wir den Schutz des Klimas und den Einsatz regenerativer Energien vorantreiben“, meint Bauer. Neben Solarpaneelen verfügt die „Helios“ auch über ein äußerst effizientes Power-Management-System für den Bordstromverbrauch, einen diesel-elektrischen Antrieb, der zudem „Future-Fuel-Ready“-Tauglichkeit besitzt, also beispielsweise künftig auch mit Wasserstoff betrieben werden kann. Zudem ist das Schiff für den Betrieb bei Niedrigwasser ausgelegt – für die Rheinschifffahrt heute fast eine notwendige Anpassung an den Klimawandel.
Nachrüstbar
Tatsächlich hat Wattlab nach eigenen Angaben bereits mehr als 30 Schiffe mit Solarpaneelen auf Ladeluken versehen, Neubauten und ältere Einheiten. Beim nachträglichen Einbau ist die Tragfähigkeit der vorhandenen Luken zu prüfen. Darüber hinaus gibt es noch zahlreiche Ausflugs- und Fährschiffe, die damit ausgestattet sind und rein elektrisch fahren. Sie haben aber oft eine große Batterie, die in der Nacht am Liegeplatz geladen wird. Der Paketdienstleister DHL betreibt beispielsweise in Berlin Elektroboote mit Solarpaneelen in einem Versuch.
So viele Elemente wie auf der „Helios“ wurden bislang noch nicht auf Güterschiffen installiert. Doch reicht das, um damit auch auf dem Rhein zu fahren? „Beim heutigen Stand der Technik reicht, soweit uns bekannt, die Watt-Ausbeute je Quadratmeter Solarpaneel noch nicht aus, um mit einem voll abgeladenen Gütermotorschiff den Rhein bergwärts fahren zu können“, sagt Jens Schwanen, Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB). In Zukunft sei aber mit steigender Watt-Ausbeute zu rechnen. Doch bleibe die Frage, wie man den gewonnenen Solarstrom so speichert, dass das Schiff auch nachts fahren könne. Zur Unterstützung der Bordstromversorgung während der Liegezeit im Hafen aber reiche die Leistung, so Schwanen. Der Dieselgenerator für die Stromerzeugung könne abgeschaltet werden. „Wir begrüßen im Grundsatz alles, was dazu beiträgt, die Verträglichkeit der Binnenschifffahrt mit Umwelt, Klimaschutz und den Anwohnern an den Wasserstraßen zu verbessern“, betont Schwanen.
„Die Solarluken auf Frachtschiffen sollen vor allem den Betrieb des Bordstromgenerators deutlich verringern“, bestätigt Friederike Dahlke-Wallat, stellvertretende Vorsitzende des Entwicklungszentrums für Schifftechnik und Transportsysteme (DST) in Duisburg, den wesentlichen Vorteil. Mit Solarpaneelen und einer Speicherbatterie seien die Binnenschiffe unabhängig vom Landstrom. Wattlab beziffert die Einsparung auf über 90 Prozent bei einem Lukendach wie bei der „Helios“, das bisher aber einmalig ist.
Die Investition kann zudem öffentlich gefördert werden: „Es empfiehlt sich, das Förderprogramm Bordstrom Tech II mit bis zu 60 Prozent Förderung der Investition in Anspruch zu nehmen“, rät Dahlke-Wallat. Damit werden vom Bund alternative Technologien für umweltfreundliche Bordstrom- und mobile Landstromsysteme von See- und Binnenschiffen gefördert.
Umsichtiger Umgang erforderlich
Doch gibt es auch Einschränkungen: Die Paneele bringen Gewicht mit und Solarluken sind empfindlich. Daher sind sie oft an Stellen befestigt, die eher nicht betreten werden. „Die neuesten Generationen der Paneele sind unserer Einschätzung nach deutlich ertragreicher und haltbarer als noch vor einigen Jahren“, sagt aber Dahlke-Wallat vom DST. Wattlab erklärt, dass die Paneele „vollkommen resistent“ gegen Sand, Späne, Feinfracht, Staub und Hagel sind. Doch sei zu beachten, dass alles, was die Luke beschädige, auch das Solarmodul beschädige, wie etwa scharfe und schwere Lasten. Empfohlen wird daher, während des Be- und Entladens eine Luke ohne Solarmodule oben auf den Stapel zu legen, um darunter liegende Solarluken zu schützen. Zudem gilt: Betreten möglichst vermeiden. Wattlab rät, nur in Notfällen über die Module zu laufen. Denn dies könne „den Verlust der Energieeffizienz beschleunigen“.
Laut Hersteller kann sich eine Anlage bereits nach einigen Jahren amortisieren. HGK Shipping rechnet für die „Helios“ mit rund sechs Jahren. Wattlab beziffert die Lebensdauer seiner Paneele auf mindestens 15 Jahre. Alle Komponenten seien aber für bis zu 25 Jahre zertifiziert. „Natürlich ist dies vom Nutzungsverhalten abhängig“, sagt Dahlke-Wallat – von der Anzahl der Paneele, Batteriekapazität, Schiff, Fahrprofil und dem Umgang mit den Elementen.
Was sagen die Schiffseigner?
Der Partikulier Wouter Smitsman (MS Dependant), der der niederländischen Genossenschaft NPRC angehört, fährt mit vier Luken, auf denen jeweils zwölf Elemente installiert sind. Er zeigt sich rundum zufrieden: „Ich führe Buch darüber, wie viel Gasöl ich für den Betrieb des Generators gebunkert habe. Das ist nur noch halb so viel wie früher“, berichtet er. Den Einbau empfohlen habe ihm sein Steuerberater. Denn selbst bei vorsichtiger Kalkulation könne er seine Investition nach drei Jahren eingespielt haben. Auch die Befürchtung, dass die Solarmodule in der Praxis stark verschleißen, habe sich bisher nicht bewahrheitet.
Im Binnenschifferforum werden ebenfalls Anschlüsse und Handling in staubiger Umgebung diskutiert. Auch eine Blendung durch die Sonne dürfe nicht stattfinden. Den Bedenken stehen erste Erfahrungswerte gegenüber: Die heutigen Solarpaneele seien leicht zu reinigen, würden schon allerlei vertragen und blendeten nicht mehr, heißt es. Darüber hinaus stößt Photovoltaik finanziell auf Interesse. Fazit: Die Investition wird gefördert und lohnt sich nach einigen Jahren – Sonnenschein und pfleglicher Umgang mit den Solarpaneelen vorausgesetzt. (zp/fh)