Die globale Regulierung der Schifffahrt wird weiterhin nicht mit dem 1,5-Grad-Ziel in Einklang stehen. Dies geht aus der abschließenden, nicht öffentlichen Beschlussvorlage des IMO-Umweltausschusses MEPC hervor, die der DVZ vorliegt. Die offizielle Verkündigung der Ergebnisse ist laut dem Dokument im Laufe des Tages zu erwarten.
Um das 1,5-Grad-Ziel für die Schifffahrt als verbindliches Ziel festzulegen, hatten im Vorfeld von MEPC 80 mehrere Länder-Delegationen darauf gedrängt, neben einem Null-Emissionsziel im Jahr 2050 auch Zwischenziele für die Jahre 2030 und 2040 festzulegen.
Dieses Vorgehen entspräche dem von der Initiative „Science Based Targets“ skizzierten Dekarbonisierungs-Pfad, der nach Berechnungen von Wissenschaftlern eingeschlagen werden müsste, um die Erwärmung der Erdatmosphäre auf 1,5 Grad Celsius über der Durchschnittstemperatur des vorindustriellen Zeitalters zu begrenzen.
MEPC ignoriert „Science Based Targets“
Um diesen Weg einzuschlagen, müssten sich die Staaten verpflichten, bis zum Jahr 2030 Treibhausgasemissionen im Umfang von 37 Prozent gegenüber 2020 zu reduzieren sowie 96 Prozent bis zum Jahr 2040. Zehn Jahre später müsste eine Reduktion um 100 Prozent erreicht sein.
Das von der Arbeitsgruppe den MEPC-80-Delegierten vorgelegte Dokument ist weit von diesen Vorgaben entfernt. So konnten sich die Delegierten laut der Beschlussvorlage nur zu der Empfehlung durchringen, die Emissionen in der Schifffahrt um 40 Prozent bis 2030 zu reduzieren.
Für 2050 gibt es keine konkreten Regulierungsvorgaben. Die Delegierten einigten sich stattdessen darauf, die Treibhausgasemissionen „um das Jahr 2050 herum“ auf null zu bringen. Dieses Ziel gilt allerdings mit der sehr vagen Einschränkung, dass die „Belange einzelner Staaten“ Berücksichtigung finden müssen.
Unklarheit führt zu Unsicherheit bei Investitionen
Beobachter zeigten sich gegenüber der DVZ enttäuscht über den Ausgang der Verhandlungen. „Ich hatte auf eine deutlich klarere Regelung gehofft“, sagt Jan Hoffmann, Head Trade Logistics der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD). Je unkonkreter die Regeln seien, desto mehr Unsicherheit bezüglich anstehender Investitionsentscheidungen entstehe aufseiten der Schiffseigner.
Auch Faïg Abbasov ist mit dem Ausgang der Verhandlungen unzufrieden. Für den Schifffahrts-Direktor der NGO Transport & Environment (T&E) ist besonders zu kritisieren, dass die vorgeschlagenen Regulierungsmaßnahmen nicht in Einklang stehen mit dem 1,5-Grad-Ziel. Dies sei im Vorfeld der Beratungen vor allem für Länder, die besonders unter den Folgen des Klimawandels litten, der wichtigste Punkt gewesen, so Abbasov gegenüber der DVZ.
Emissionsbudget bereits 2034 aufgebraucht
Zu kritisieren sei ferner, dass MEPC keine verbindlichen Zwischenziele für 2030 und 2040 beschlossen hat. „Stattdessen hat man ,indizierende Kontrollmarken‘ eingeführt, die anzustreben seien.“ Dies lasse nicht darauf schließen, dass man damit rechne, dass sie tatsächlich eingehalten würden. „Doch selbst, wenn die für 2030 und 2040 anzustrebenden Emissionsreduktionen eingehalten würden, wäre das für die Erreichung des 1,5-Grad-Ziels vorhandene Emissionsbudget bereits Ende 2034 ausgeschöpft“, so Abbasov.
Auch NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller zeigt sich enttäuscht. „In London wurde diese Woche eine große Chance verpasst. Die beschlossenen Minderungsziele entsprechen weiterhin nicht dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens. Jetzt ist es umso wichtiger, dass ein internationaler CO₂-Preis für die Schifffahrt schnell angegangen und umgesetzt wird. Die Regierungen müssen anfangen, Verantwortung zu übernehmen und auch ohne IMO-Vorgabe handeln, um die Schifffahrt endlich auf einen Pfad in Richtung Klimaschutz zu schicken“, so Miller.