Jan-Christoph Napierski: „Es ist wichtig, dass analysiert wird, welche Treibstoffe für eine Route die besten sind.“

Bild: Mærsk Mc-Kinney Møller

„Häfen sollen mehr alternative Treibstoffe bereitstellen“

02.05.2023

Das Maersk Mc-Kinney Moller Center for Zero Carbon Shipping verfolgt die Entwicklung Grüner Schifffahrtskorridore intensiv und hat im Januar einen Leitfaden zur Analyse des Potenzials solcher Korridore herausgegeben. Bisher sieht das Center drei Modelle, wie Grüne Schifffahrtskorridore gestaltet werden können.

DVZ: Was hat sich entwickelt, seit bei der UN-Klimaschutzkonferenz in Glasgow angekündigt wurde, dass grüne Schifffahrtskorridore eingerichtet werden sollen?

Jan-Christoph Napierski: Inzwischen gibt es eine Reihe von Projekten, das ist sehr vielversprechend. Es gibt sowohl Projekte mit öffentlichen Akteuren, wie auch unser Maersk Mc-Kinney Møller Center for Zero Carbon Shipping etwa eines in Chile angeschoben hat, zusammen mit dem chilenischen Energieministerium. Da haben wir eine Voruntersuchung gemacht für viele Häfen entlang der chilenischen Küste. Aber auch mit fünf nordeuropäischen Häfen haben wir eine Voranalyse gemacht, mit Hamburg, Rotterdam, Tallinn, Gdingen in Polen und Römö in Dänemark. Solche Initiativen haben wir auch an anderen Orten gesehen, wie zum Beispiel zwischen Los Angeles und Shanghai.

Wie sollte man sich einen grünen Korridor denn vorstellen? Geht es darum, dass auf einer bestimmten Route nur noch Schiffe mit nachhaltigen Antrieben fahren dürfen?

Wir sehen da drei Modelle. Das erste wäre eine Verbindung mit Niedrig- oder Null-Emissions-Schiffen zwischen zwei Häfen. Das bedeutet aber nicht, dass von Anfang an alle Schiffe dort mit Niedrig- oder Null-Emissions-Treibstoffen unterwegs sein müssen, sondern dass man versucht, zumindest eine Verbindung auf diese Weise zu etablieren. Das könnten zum Beispiel Fähren sein, die in der Ostsee mit Methanol fahren. Es könnte aber auch eine Feeder-Verbindung im Containersegment dekarbonisiert werden, da gibt es viele Möglichkeiten. Ein grüner Korridor kann aber auch aus nur einem Hafen bestehen, von dem zum Beispiel eine mit nachhaltigen Kraftstoffen angetriebene Fischereiflotte ausläuft. Das dritte Modell ist ein Netzwerk von dekarbonisierten Häfen. Sie könnten etwa Häfen in Asien einschließen, von denen aus Containerschiffe zum Beispiel Rotterdam anlaufen, von wo aus die Waren mit Feeder-Schiffen weiterverteilt werden.

Muss man sich grüne Korridore eher als Angebot vorstellen, auf bestimmten Routen nachhaltige Kraftstoffe zu nutzen, oder soll es perspektivisch eine Verpflichtung geben, auf den Korridoren mit solchen Kraftstoffen zu fahren?

Ich würde von einem Angebot sprechen. Es ist wichtig, dass analysiert wird, welche Treibstoffe für eine Route die besten sind, sowohl von Angebot als auch von der Nachfrage her betrachtet, und dass dann Verträge zwischen den Kraftstoffproduzenten und den Abnehmern geschlossen werden. Ziel ist, für mehrere Jahre Sicherheit zu haben, wie viel nachhaltige Treibstoffe produziert werden und wie viel abgenommen werden. Die Mengen könnten mit der Zeit steigen, so dass eine größere Flexibilität für die Reeder entsteht. Es gibt schon einige Reeder, die Dual-Fuel-Schiffe bestellt haben und jetzt prüfen, wo sie die Treibstoffe dafür beschaffen. Die schließen entsprechende Verträge ab. Das sehen wir bei Maersk und anderen Reedern. Für uns ist wichtig, dass es in Zukunft nicht bei Verträgen zwischen einzelnen Reedern und Kraftstoffherstellern bleibt, sondern dass die Bandbreite größer wird, dass Häfen ein Angebot an alternativen Treibstoffen bereitstellen.

Muss sich auch die Privatwirtschaft am Aufbau der dafür nötigen Infrastruktur beteiligen?

Öffentliche Hand und Privatwirtschaft müssen da mit ins Boot kommen. Das EU-Gesetzespaket „Fit for 55“, etwa die Emissionshandelsrichtlinie, kann hier dem Markt sehr deutliche Signale senden. Emissionshandel schließt zwar nicht völlig den Preisunterschied zwischen fossilen und alternativen Kraftstoffen, der ist noch ziemlich groß, da müssen noch viele andere Dinge passieren, aber der Emissionshandel ist ein Schritt in die richtige Richtung. Bei den ersten Großprojekten muss sich die öffentliche Hand noch deutlich stärker engagieren und grüne Korridore zum Beispiel in der EU anschieben.

Der Hafen Göteborg und der niederländisch-belgische North Sea Port wollen Reeder mit ermäßigten Hafengebühren zur Nutzung nachhaltiger Treibstoffe auf der Route bewegen. Ist das vielversprechend? Welche Anreize gibt es bei anderen grünen Korridoren?

Wir sehen derzeit eine sehr große Bandbreite von Anreizen. Ermäßigte Hafengebühren sind eine Möglichkeit. Die Amerikaner gehen mit ihrem Inflation Reduction Act einen ganz anderen Weg. Sie subventionieren etwa Wasserstoffproduzenten, die diesen Treibstoff dann günstiger an den Schifffahrtssektor verkaufen können. Wir sehen aber auch Reeder, die „grünen“ Transport mit einem Preisaufschlag anbieten, und wir sehen, dass Kunden das nachfragen. Ihre Zahl muss aber noch steigen. Interessant für die Verlader ist es, wenn sie garantieren können, dass ein Produkt tatsächlich komplett nachhaltig transportiert worden ist von A nach B, einschließlich des Hinterlandtransports. Wir müssen schauen, wie wir mehr „grüne“ Finanzprodukte anbieten können, um diese Entwicklung zu finanzieren. Mit den EU-Taxonomieregeln sehen wir, dass große Banken, Pensionskassen und so weiter ihr Geld nachhaltiger investieren müssen. Dadurch entsteht ein riesiges Potenzial für Investitionen.

Was erwarten Sie bis 2040? Haben wir dann ein großes globales Netzwerk grüner Korridore oder sind dann sowieso alle Schifffahrtsrouten „grün“?

Es wäre meine große Hoffnung, aber ich erwarte bis 2040 keine komplette Dekarbonisierung des globalen Seeverkehrs. Ich hoffe aber, dass wir 2040 einen signifikanten Teil dekarbonisiert und dafür die entsprechende Infrastruktur in den Häfen und die nötige Kraftstoffproduktion aufgebaut haben.

INFOKASTEN

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel