Vom Reden ins Handeln kommen – so lassen sich das Motto und der Geist der ersten Envoconnect-Konferenz zusammenfassen, die Bremenports Ende vergangener Woche veranstaltet hat. Rund 100 Teilnehmer folgten der Einladung nach Bremerhaven und diskutierten zwei Tage, welche Lösungen und Projekte die Hafenwirtschaft und Logistik noch umweltfreundlicher machen können.
Von „groß, größer, am größten“ hin zu „grün, grüner, am grünsten“
Doch bevor es um konkrete Maßnahmen und Potenziale ging, gab es Impulsvorträge von branchenfremden Personen. „Wir müssen das globale Wachstum dramatisch überdenken“, mahnte Christin ter Braak-Forstinger zu Beginn der Konferenz. Die Wahlschweizerin leitet eine Anlageberatung mit Fokus auf Investments, die eine positive Wirkung auf Umwelt und Gesellschaft haben, Impact Investments genannt. Ihr zufolge müssten Unternehmen den gedanklichen Wandel von „groß, größer, am größten“ hin zu „grün, grüner, am grünsten“ hinbekommen. Gelinge ihnen das nicht, würden sie ihre Berechtigung verlieren. Sie ist überzeugt, dass der Wandel zu einer konsequent nachhaltigen Wirtschaftsweise, um dem Klimawandel entschieden entgegenzuwirken, gänzlich neue Geschäftsmodelle ermögliche. „Aufgrund der hohen Innovationskraft von jungen Pionieren müssen auch die großen Konzerne ihre Geschäftsmodelle anpassen, um langfristig wettbewerbsfähig bleiben zu können. Nachhaltigkeit ist kein Luxus mehr, sondern ist ein absolutes Muss.“
Ähnlich deutlich macht auch Kira Vinke die Notwendigkeit zum Handeln. „Wir müssen ganz dringend die Emissionen senken“, appellierte die Leiterin des Zentrums für Klima- und Außenpolitik bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Um das Ziel der Bundesregierung zu erreichen, bis 2045 klimaneutral zu werden, reiche es nicht, im jetzigen Tempo die Emissionen zu senken. Wichtig sei, auch die Zwischenziele bis 2030 zu erreichen. Besonders herausfordernd sei dabei, dass alle Sektoren gleichzeitig dekarbonisiert werden müssten, weil Deutschland zu lange zu wenig erreicht habe.
Vinke zufolge müssten bei Projekten wie dem Ausbau von Windenergieanlagen innerhalb von Naturschutzgebieten – eine gründliche Abwägung vorausgesetzt – im Einzelfall lokale Umweltschäden in Kauf genommen werden, um Risiken einzudämmen, die die gesamte Umwelt betreffen. Zudem betonte sie die Notwendigkeit, dass Politik und Wirtschaft gemeinsame Entscheidungen treffen. Zu lange habe es gegenseitige Zuweisungen von Forderungen und Verantwortungen zwischen diesen Akteuren gegeben. „Dieses Spiel lässt sich nicht unbegrenzt fortsetzen“, sagte die Politikwissenschaftlerin.
Der Druck auf die Logistiker steigt
Konkreter wurde es in den vier Diskussionsrunden am ersten Tag, in denen Unternehmen und Wissenschaftler ihre Ambitionen, Lösungen und Forschungserkenntnisse im Bereich nachhaltiger Logistik präsentierten. Dabei wurde deutlich, dass der Druck auf Logistikunternehmen in Hinblick auf die neuen Nachhaltigkeits-Berichtspflichten (CSRD, Corporate Sustainability Reporting Directive) im kommenden Jahr zunehmen wird, wenn die EU-Richtlinie für weitere Firmen in Kraft tritt.
Besonders deutlich machte Sandra Broschat, Nachhaltigkeitsbeauftragte des Spirituosenherstellers Jägermeister, die künftigen Anforderungen aus Sicht eines Verladers an seine Dienstleister. Da 25 Prozent der Emissionen auf die Logistik zurückzuführen seien, habe das Unternehmen eine dringende Notwendigkeit, diesen Bereich mit Hilfe der Partner zu dekarbonisieren. Broschat kündigte an, dass viele Unternehmen – ähnlich wie Jägermeister – ihre (Logistik-) Partner konsequent in die Pflicht nehmen werden, um ihre Berichtsanforderungen zu erfüllen. Würden sie keine Fortschritte bei der Reduktion von Emissionen vorweisen, müssten sie auf andere Partner ausweichen. „Diese Entwicklung wird kommendes Jahr auf Sie [Logistikunternehmen] zurollen“ prophezeite Broschat. Solange die Pflicht für ein Unternehmen gelte, wirke sich dies auch auf Logistiker aus, die selbst gar nicht unter die neuen Anforderungen fallen.
Hafenstrategie muss mutiger sein
In der Diskussion zur Rolle der Häfen bei der Energiewende, beklagte Jan Ninnemann, Professor für maritime Logistik, dass die Bundesregierung vergessen habe, welche entscheidende Rolle die Umschlagplätze spielen, um die ehrgeizigen Ziele – zum Beispiel beim Import erneuerbarer Energien oder dem Ausbau der Offshore-Windanlagen – zu erreichen. Grundsätzlich sei die nationale Hafenstrategie eine gute Entwicklung, allerdings sei als Folge auch eine stärkere Koordination unter den Häfen nötig, um Doppelstrukturen zu vermeiden. „Jeder Hafen hat seine standortspezifischen Vorteile, die es herauszuarbeiten gilt und dann die entsprechenden Aufteilungen vorzunehmen“, sagte Ninnemann. Er befürchtet allerdings, dass die Strategie diese Aufgabe – nach bisherigem Kenntnisstand – nicht erfüllen werde. Ein solches Papier „ist immer nur der kleinste gemeinsame Nenner, der stark von Verbandsinteressen dominiert ist und versucht, es allen Akteuren recht zu machen. Eine nationale Hafenstrategie muss mutiger sein“. Um die großen Probleme zu lösen, können man nicht immer die Interessen von allen berücksichtigen.
Voneinander lernen
Am zweiten Tag tauschten sich die Teilnehmer sehr praktisch in vier Sessions zu nachhaltiger Terminalentwicklung, Schifffahrt, Digitalisierung und Logistik aus – dabei diskutieren sie Chancen und bereits vorhandene Möglichkeiten zur Umsetzung von Maßnahmen. Der Tenor der meisten Gruppengespräche: Große Projekte erfordern viel Geld und langwierige Genehmigungsprozesse, daher sei es wichtig, im Kleinen anzufangen und einfache Dinge umzusetzen, die schon jetzt möglich sind. „Wir haben keine Zeit, länger zu warten“, sagte Robert Howe, Geschäftsführer von Bremenports, dessen Firma die Konferenz veranstaltet hat, um die Verantwortlichen in Zeiten der Transformation zusammenzubringen und durch den Wissensaustausch zu stärken.
Dieses Ziel hat die Envoconncet erfüllt, indem relevante Themen behandelt wurden, kontroverse Impulsvorträge über die Logistik hinaus zum Nachdenken angeregt haben und Akteure sich für künftige Zusammenarbeit vernetzen konnten. Eine konsequent nachhaltig organisierte Veranstaltung, die Bremenports zufolge im kommenden Jahr wiederholt werden soll.