Ab 2024 weitet die EU den Geltungsbereich ihres Emissionshandelssystem ETS auch auf den Seeverkehr aus. Erstmals bekommen damit Schiffsemissionen einen Preis. Diese Maßnahme soll dem Sektor gleichzeitig Anreize zur Dekarbonisierung und Reduzierung der Treibhausgasemissionen setzen.
Der Schifffahrtssektor ist seit langer Zeit eine der emissionsintensivsten Branchen weltweit. Er ist für einen erheblichen Teil der EU-weiten (2 bis 3 Prozent) und globalen (3 bis vier Prozent) Treibhausgasemissionen verantwortlich, überwiegend durch CO₂-Emissionen, aber auch durch Lachgas- und Methanemissionen.
Die Emissionen im internationalen Seeverkehr sind in der Vergangenheit stetig angestiegen und es ist zu erwarten, dass dieser Trend bis 2050 anhält, sofern nicht entschlossen gegengesteuert wird. Im Jahr 2018 wurden mit der Etablierung eines Überwachungs- und Berichtssystems für Seeverkehrsemissionen auf EU-Ebene und international mit der Einführung einer Klimaschutzstrategie der International Maritime Organization (IMO) erste Regulierungen getroffen – jedoch ohne verbindliche Minderungsziele und Abgabeverpflichtungen. Die Einbeziehung des Seeverkehrs in den EU-ETS ist somit ein wichtiger Schritt, um seine Umweltauswirkungen anzugehen und wirksam zu bekämpfen.
Schrittweise Einbeziehung
Im Anwendungsbereich des Seeverkehrs werden ab 2024 zunächst große Fracht- und Passagierschiffe zur kommerziellen Nutzung und mit einer Bruttoraumzahl (BRZ) von mindestens 5.000 erfasst. Ab 2027 werden dann auch große Offshore-Schiffe ebenfalls mit einer BRZ von mindestens 5.000 einbezogen.
Ausgenommen vom Anwendungsbereich sind Kriegsschiffe, Fischereischiffe, Flottenhilfsschiffe, einfache Holzschiffe, Schiffe ohne Maschinenantrieb und staatliche Schiffe für nicht gewerbliche Zwecke. Ebenso wenig ist die Binnenschifffahrt erfasst. Die Einbeziehung von kleineren Schiffen und weiteren Schiffstypen wird von der EU-Kommission bis Ende 2026 untersucht.
Geografisch betrachtet werden 100 Prozent der Emissionen erfasst, die bei Fahrten innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und an Liegeplätzen in EWR-Häfen anfallen. Emissionen aus Fahrten von oder zu EWR-Häfen aus Drittländern werden zu 50 Prozent erfasst. Im Kontext der neuen Regelungen ab 2024 wird zunächst das Gas CO₂ berücksichtigt, ab 2026 zusätzlich Methan und Lachgas.
Verantwortlich für die Einhaltung der Pflichten aus dem EU-ETS sind die Schifffahrtsunternehmen. Dies kann entweder der Schiffseigner sein oder eine andere Organisation oder Person, die durch vertragliche Vereinbarungen die Verantwortung für den Betrieb des Schiffes übernommen hat.
Die erfassten Schifffahrtsunternehmen unterliegen Überwachungs-, Berichts- und Abgabepflichten. Sie müssen jährlich einen verifizierten Emissionsbericht auf Schiffsebene auf Grundlage eines zuvor eingereichten und von der Behörde genehmigten Überwachungsplans erstellen. Zusätzlich sind sie verpflichtet, jährlich verifizierte, aggregierte Daten auf Unternehmensebene einzureichen, die durch die zuständige Behörde geprüft werden und die Grundlage für die Abgabepflicht bilden.
Um eine reibungslose Einbeziehung des Seeverkehrs in den EU-ETS zu gewährleisten, wird es für diesen Sektor zwar keine kostenlose Zuteilung geben, dafür müssen die Schifffahrtsunternehmen jedoch bis 2026 nur anteilig Zertifikate für ihre verursachten Emissionen abgeben.
Für das erste Berichtsjahr 2024 müssen für 40 Prozent der verifizierten Emissionen Zertifikate abgegeben werden. Dieser Anteil steigt auf 70 Prozent im Jahr 2025 und schließlich 100 Prozent ab 2026. Für die Jahre 2024 und 2025 wird für die nicht über die Zertifikate abgedeckten Emissionen eine entsprechende Menge aus dem Auktionsvolumen gelöscht. So entstehen in der Übergangsphase keine Überschüsse an Zertifikaten.
Ausweichmanöver sollen vermieden werden
Die EU-Kommission legt im Rahmen eines nachgeordneten Rechtsakts und aufgrund konkret festgelegter Kriterien „benachbarte Containerhäfen“ außerhalb des EWR fest, die nicht als Anlaufhafen im Sinne des EU-ETS gelten. Ein Halt in einem solchen Hafen führt in diesem Fall nicht zu einer Verkürzung der unter den EU-ETS fallenden Fahrt und soll Ausweichmanöver des Containerschiffsverkehrs zur Umgehung beziehungsweise Reduzierung der Abgabepflicht vermeiden.
Bis Februar 2024 veröffentlicht die EU-Kommission eine Liste mit den Namen aller Schifffahrtsunternehmen, die ab dem 1. Januar 2024 unter den Anwendungsbereich des EU-ETS fallen. Zudem wird die zugeordnete Verwaltungsbehörde enthalten sein.
Diese Liste wird alle zwei beziehungsweise vier Jahre aktualisiert. Für die Umsetzung und Verwaltung in Deutschland ist die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) im Umweltbundesamt zuständig. Bei Verstößen gegen die Abgabeverpflichtung sind verschiedene Sanktionsmaßnahmen gegen die betroffenen Schifffahrtsunternehmen vorgesehen wie die Veröffentlichung der Namen, die Festsetzung einer Sanktionszahlung für jede zu wenig abgegebene Tonne Kohlendioxid-Äquivalente inklusive Nachabgabeverpflichtung und als letzte Option die Ausweisungs- und Festhaltanordnung.
Die Kosten für Schifffahrtsunternehmen hängen von den Emissionen ab, die sie verursachen, und vom Preis für die abzugebenden Zertifikate. Die Schifffahrtsunternehmen haben daher Einfluss auf die Kosten, die ihnen durch den EU-ETS entstehen. Der Einsatz von modernen, effizienten und emissionsarmen Technologien bringt klare Vorteile mit sich.
Auch eine optimierte Routenplanung und Geschwindigkeitsanpassungen tragen dazu bei, Treibhausgase zu reduzieren und damit Kosten einzusparen. Erstmals wird ein Sektor gezielt aus Einnahmen gefördert. Der Innovationsfonds stellt 20 Millionen Zertifikate zur Förderung umweltfreundlicher Schiffe und entsprechender Hafeninfrastruktur bereit. Nach aktuellen CO₂-Preisen sind diese Zertifikate circa 1,6 Milliarden Euro wert.
Betroffene Unternehmen können aber auch an den allgemeinen Ausschreibungen des Innovationsfonds teilnehmen. Der Einbeziehung des Seeverkehrs in den EU-ETS kommt eine bedeutende Rolle zu, insbesondere auch im Hinblick auf die Entwicklung einer wirksamen Klimaschutzstrategie durch die IMO. Für den Fall, dass die IMO eine globale markt- basierte Klimaschutzmaßnahme für den Seeverkehrssektor beschließen sollte, ist ein Review des Seeverkehrs im EU-ETS vorgesehen.(ol)
Anja Leskovar ist Mitarbeiterin der Deutschen Emissionshandelsstelle im Umweltbundesamt und leitet das Fachgebiet V 3.5 Seeverkehr.