DVZ: Herr Voigt, Sie stehen seit rund einem Jahr gemeinsam mit Ihrem Vater Henning Voigt an der Spitze von Voigt Logistik. Wie läuft die Zusammenarbeit?
Hannes Voigt: Wir hatten schon vorab Bereiche abgesteckt und ich war bereits die letzten Jahre in wichtigen Entscheidungen involviert. Daher war der Einstieg nicht kompliziert. Aktuell gibt es insgesamt vier Geschäftsführer: Einer kümmert sich um die Logistik, einer um die Verwaltung, mein Vater hatte immer den Vertrieb und die Spedition inne. Den Vertrieb habe ich jetzt von ihm übernommen und ich bin auch für die strategische Weiterentwicklung und Innovation sowie Import und Export, das heißt Internationalisierung, zuständig.
Beim Thema Innovation ist dann auch das Thema Nachhaltigkeit mit drin? Oder wie ist das Thema strukturell bei Ihnen aufgehängt?
Wenn man es runterbricht, dann hängt das Thema bei uns in der Innovationsabteilung, die offiziell in der Verwaltung angesiedelt ist. Da haben wir einen Innovationsmanager, der sich auch um diese Themen kümmert. Aber viele dieser Themen sind eben auch bereichsübergreifend. Dementsprechend sind alle Geschäftsbereiche involviert, wenn es sie betrifft. Dabei müssen immer sowohl ökologische als auch ökonomische Faktoren beachtet werden. Wir haben eine kleine Innovationskasse, um in Nachhaltigkeit zu investieren, wie zum Beispiel einen ersten Wasserstoff-Lkw, und mit dem verdienen wir am ersten Tag sicher noch kein Geld. Aber wir können nicht gleich die ganze Flotte umrüsten, dann könnten wir morgen auch gleich dicht machen. Bei Nachhaltigkeitsthemen müssen Ökologie und Ökonomie im Einklang sein.
Lassen Sie uns kurz zu Ihrem persönlichen Werdegang sprechen: Sie haben ein duales Studium bei DHL Freight absolviert und waren anschließend bei Forto.
Genau, ich war erst bei DHL Freight und habe direkt in Bonn mein duales Studium gemacht. Für DHL Global Forwarding war ich auch im Ausland, in Singapur und Bangkok, und habe mich dann entschieden, einen Master im Management an der Kühne Logistics University in Hamburg zu machen. Danach bin ich zu Forto gegangen und war dort über zwei Jahre an der europäischen Expansion beteiligt. Mitte 2022 habe ich die Entscheidung getroffen, in unser Familienunternehmen einzusteigen, weil ich mich bereit gefühlt habe, die nächsten Schritte in spannenden Zeiten mitzugestalten. Für mich war es immer wichtig, auch erst einmal außerhalb unseres Unternehmens Erfahrungen zu sammeln und etwas zu lernen, das ich dann mitnehmen kann.
Warum haben Sie entschieden, dass Sie Anfang 2023 in das Familienunternehmen einsteigen?
Es gab verschiedene Faktoren. In der Wirtschaft passiert momentan sehr viel. Es gibt Wandel ohne Ende, eine große Volatilität in allen Bereichen, seit Corona eigentlich schon, und es bedarf einfach an neuen Innovationen. Ich habe gesehen, dass wir uns als Unternehmen in die richtige Richtung entwickeln und ich wollte Teil dieser Entwicklung sein und aktiv mitwirken in einer Zeit, in der so viel passiert. Es gab immer einen Plan, dass ich mit 30 oder kurz vor 30 diesen Schritt mache, wobei das auch nie hundertprozentig in Stein gemeißelt war. Letztendlich hat sich das Timing einfach angeboten.
Gibt es Überlegungen, einen zentralen Sustainability Manager einzustellen, der das große Ganze im Blick behält und Sie bei dem Thema entlastet?
Überlegungen gibt es definitiv. Aber ich halte nicht sehr viel von einer Insellösung, der dann von den einzelnen Bereichen nicht sehr viel mitbekommt. Mein Ziel ist es daher eher, jedem in unserem Unternehmen ein nachhaltiges Bewusstsein mitzugeben. Denn, wenn man tief in diesen Prozessen drin ist, kann man auch besser Entscheidungen treffen.
Haben Sie denn konkrete Nachhaltigkeitsziele? Andere Unternehmen geben ja klar an, dass sie zum Beispiel bis 2040 X Emissionen reduzieren wollen. Bei Ihnen habe ich so konkrete Angaben aber nicht gesehen.
Das kommunizieren wir auch nicht, da solche Ziele meiner Meinung nach oft eine Art von Greenwashing sind oder etwas, was nicht erreichbar ist. Denn wir wissen aktuell gar nicht, wie es weitergeht. Bezüglich der Förderung von alternativen Antrieben gibt es sehr viele Fragezeichen. Daher ist es schwierig für uns, die Karten jetzt schon zu legen. Aber unser Ziel ist definitiv, nachhaltig zu sein und nachhaltig zu wachsen und auch in Zukunft Innovationen zu treiben. Dazu gehören in Zukunft auch Wasserstoff- und auch Elektro-Lkw. Wir werden unseren Fuhrpark Schritt für Schritt ökologischer gestalten. Momentan haben wir nur neueste Dieselfahrzeuge und unsere Flurförderfahrzeuge haben alle Elektroantriebe mit Lithium-Ionen-Batterien, die energieautark betrieben werden können, wenn die Sonne scheint. Wir haben schon viel gemacht, aber haben es nicht klar quantifiziert.
Und haben Sie langfristige Pläne oder gucken Sie spontan, was möglich ist?
Wir gucken, was ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist und sind auch dazu bereit, am Anfang gewisse Mehrkosten in Kauf zu nehmen. Aber es muss eben mittel- bis langfristig ökonomisch Sinn ergeben, damit wir nachhaltig wachsen können.
Gibt es für Nachhaltigkeitsinvestments ein festes Budget?
Wir sind im gesamten Unternehmen kein großer Freund von starren Budgets. Das haben wir in keinem Bereich. Da wird geguckt, welche Business Cases spannend und innovativ sind. Und wir investieren dann, wenn es uns auch in Zukunft weiterbringen kann. Aber ein klares Budget haben wir dafür nicht.
Inwiefern profitieren Sie von Ihren vorherigen beruflichen Stationen? Was haben Sie konkret mitgenommen?
Ich habe bei DHL die Abläufe und Entscheidungsfindungsprozesse eines Großkonzerns kennengelernt und bei Forto die eines Start-ups. Ich bin der Meinung, dass der Mittelstand tatsächlich das Beste aus beidem vereint. Es gibt einerseits Strukturen wie in einem Großkonzern, aber andererseits gibt es eben auch diese Geschwindigkeit und Entscheidungsfreudigkeit wie in einem Start-up. Ich habe aus beiden Stationen sehr viel mitgenommen und das jetzt detailliert darzustellen würde wohl zu lange dauern.
Gab es etwas Strukturelles, das Sie bei den anderen Stationen kennengelernt haben und dann bei Voigt Logistik implementieren wollten?
Ich glaube schon, dass ich frischen Wind mitgebracht habe. Ein Punkt, den ich gerade stark vorantreibe, ist definitiv, datengetriebener zu agieren. Da müssen wir uns auf jeden Fall aktuell noch verbessern, weil wir momentan nicht die Möglichkeit haben, auf die Daten, die wir gewinnen, richtig zuzugreifen. Wir sind gerade dabei, viele wichtige Entscheidungen zu treffen, um diese Daten auch mit dem Blick auf die Zukunft besser nutzen zu können.
Ist das ein Thema, das Sie selbst lösen können oder werden Sie dafür einen Partner brauchen?
Für die Software brauchen wir einen Partner. Das bekommen wir inhouse nicht gelöst. Wir haben zwar eine eigene IT-Abteilung, aber damit die Installation eines TMS/ERP-Systems gut klappt, brauchen wir doch Unterstützung von außen. Wir hoffen, dass wir, wenn wir durch diese Investition mehr Zugriff auf die Daten haben, auch im eigenen Controlling tiefer einsteigen können.
Schauen Sie da auch schon in Richtung Nachhaltigkeitsberichterstattung?
Definitiv, jeder Kunde möchte mittlerweile einen Report über seine CO2-Emissionen bekommen. Da sind wir aktuell noch sehr wild am Rechnen, wir haben noch nicht wirklich einen automatisierten Weg. Als Teil des Unitrans-Netzwerkes haben wir die Möglichkeit mit unserem Partner DHL Freight Emissionen zu messen. Wir müssen allerdings auch selbst darin besser werden und hoffen jetzt, dass wir mit unserem neu implementierten TMS mehr Daten abgreifen können, um diese dann auch dem Kunden als Report detailliert darstellen zu können. Der nächste Schritt wäre dann, den Kunden auch Offsetting als Option anbieten zu können.
Gibt es schon konkrete Pläne, wie das Offsetting aussehen soll?
Ja, wir haben Streuobstwiesen gepachtet, auf denen wir Bäume anpflanzen wollen. Wir schauen gerade, wie wir es auch für unsere Kunden interessant gestalten können. Zertifikate werden wir dafür wahrscheinlich, aber nicht erhalten. Deswegen haben wir auch lange überlegt, aber letztendlich war es für uns die bessere Wahl, etwas hier in der Region zu tun, als zu sagen, wir verschmutzen hier im Norden die Luft und kaufen dann Zertifikate im Regenwald.
Wie werden Ihre Mitarbeiter bei dem Thema Nachhaltigkeit mitgenommen oder auch sensibilisiert?
Wir hatten geplant, einen unternehmensweiten Workshop für unsere Mitarbeiter zu ermöglichen, das ist allerdings aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Situation momentan nicht unsere erste Priorität. Aber wir haben auch so schon verschiedene Maßnahmen in unserem Unternehmen implementiert, bei denen auch die Mitarbeiter aktiv mitdenken und -helfen. Wie zum Beispiel beim Papierverbrauch: Wir arbeiten mittlerweile komplett digital, wir brauchen kein Druckerpapier mehr.
Können Sie weitere Beispiele nennen?
Vor vielen Jahren wurden schon Rankings für den Dieselverbrauch unserer Fahrer eingeführt. Da werden Preise vergeben und das sorgt für eine gewisse Wettbewerbssituation und motiviert unsere Fahrer, sich zu verbessern. Wir achten auch darauf, dass wir die Route, die die Fahrer gefahren sind, beachten, damit wir da nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Mittlerweile erhalten wir diese Daten durch unsere Telematiksysteme und da wird immer darauf geachtet, dass der Dieselverbrauch nicht unverhältnismäßig hoch ist. Gegebenenfalls wird auch bei den Fahrern nachgefragt, was da los war. Wir sorgen also für eine gewisse Sensibilisierung unserer Fahrer.
Darüber hinaus sind wir in unserem Umschlagsterminal durch unsere PV-Anlage bereits energieautark, wenn die Sonne scheint. Nicht nur beim Wasserstoff -LKW sind wir Vorreiter, sondern waren auch bundesweit einer der ersten Betriebe, der den Lang-LKW im Betrieb hatte.
Was bedeutet die Mauterhöhung für Sie als Stückgutunternehmer?
Man hat ja versucht eine Lenksteuer zu finden, die die Inflation nicht weiter treibt. Dieses Ziel wurde meiner Meinung nach nicht erreicht, weil die CO2-Maut auch spätestens im Januar oder Februar bei jedem Verbraucher angekommen ist. Daher ist sie nicht zielführend. Gerade in der Zeit der hohen Inflation, wo Preiserhöhungen eh schon anders gehandhabt werden müssen – durch die steigenden Löhne mussten wir in den letzten zwei Jahren leider ordentlich etwas tun –, ist es nicht angenehm. Jetzt müssen wir zu unseren Kunden gehen und sagen, wir brauchen Summe X plus noch 10 Prozent Maut. Das macht es nicht einfacher. An sich halte ich die CO2-Steuer für einen richtigen Weg, aber die Umsetzung und das Timing waren einfach katastrophal.
Der Beschluss kam zu kurzfristig?
Ja und gerade der 1. Dezember als Startdatum war, wie ich finde, ein Datum, das keinen Sinn ergab. Unternehmen planen ihre Kosten auf ganzer Jahresebene, das heißt die meisten Budgets waren bei der Entscheidung im Oktober auch schon durchgeplant. Das hätte man langfristiger angehen müssen. Grundsätzlich halte ich es aber, wie gesagt, für den richtigen Weg, um die Innovationen bei erneuerbaren Antrieben zu fördern und die Nutzung nachhaltiger Fahrzeuge zu intensivieren, aber sie darf nicht auf dem Rücken der Spediteure ausgetragen werden und uns in Steuereintreiber verwandeln. Und zudem gibt es ja aktuell leider noch nicht die Fahrzeugmenge auf dem Markt, die gebraucht wird. Auch die Infrastruktur lässt noch zu wünschen übrig. Und jetzt wurde auch noch die Förderung dafür eingestellt. Dadurch wird die Entwicklung in diesem Bereich weiter verlangsamt: Das spielt alles einfach nicht gut ineinander.
Geben Sie die Kosten an die Kunden weiter?
Wir sind gezwungen, diese Kosten eins zu eins weiterzugeben, ja. Das wurde von unseren Kunden so auch akzeptiert. Natürlich gab es teilweise Diskussionen, wie es auf die Kosten umgerechnet wird. Es gibt diesen Preis 200 Euro für eine Tonne CO2-Emissionen im Transport, aber wie das genau rechnerisch umgesetzt wird, in der Branche und für den Kunden, das muss jetzt jedes Unternehmen individuell herausfinden. Und das ist mit viel Aufwand verbunden.
In der kommenden Woche spricht Hannes Voigt im zweiten Teil des Interviews über die Antriebswende, Förderungen sowie Elektro- und Wasserstoff-Lkw.